Sieben auf einen Streich! Das gab es noch nie bei Schalker Heimspielen seit Einführung der Bundesliga. In einem Wahnsinns-Schlagabtausch siegten die Knappen gegen Bayer Leverkusen mit 7:4 (3:1), nachdem die Gäste trotz 0:3-Rückstands zweimal bis auf einen Treffer verkürzten. Nach dem letzten Tor durch Gerald Asamoah – zuvor trafen Larsen (2), Krstajic, Bajramovic, Kuranyi und Lincoln – stand die VELTINS-Arena Kopf.
Gegen die Rheinländer hatte Chef-Trainer Slomka auf zwei Positionen umgestellt: Sören Larsen stürmte für Ebbe Sand an der Seite von Kevin Kuranyi. Dazu rückte Christian Poulsen wieder ins Team. Für ihn musste Gustavo Varela weichen. Erstmals in einem Bundesligaspiel saß Mimoun Azaouagh auf der Bank.
Was gegen Dortmund und Mönchengladbach nicht gelang, klappte gegen Leverkusen gleich im ersten Anlauf: Larsen spitzelte einen langen Abschlag von Torhüter Frank Rost zunächst an Gegenspieler Ahmed Madouni vorbei, gewann dann auch das Duell gegen Carsten Ramelow und verwandelte aus zehn Metern frei vor Torhüter Jörg Butt zum 1:0 (9.). Der „doppelte Knoten“, den Chef-Trainer Slomka in der Vorschau auf die Partie gelöst wissen wollte, war endlich geplatzt! Doch vom Anstoß weg erspielten sich die Rheinländer die Riesenchance zum Ausgleich: Dimitar Berbatov dribbelte sich im Strafraum auf die Grundlinie durch, legte klug auf Athirson zurück, doch dessen Schuss kann Bordon auf der Linie klären. Wenige Sekunden später ging es wieder auf die andere Seite: Poulsens 25-Meter-Schuss sicherte sich Butt erst im Nachfassen (11.).
Die gute Ausgangsposition bauten die Knappen mit der nächsten Torchance auch noch aus: Lincolns Freistoß-Hereingabe wurde zwar abgewehrt, doch Bordon brachte den Ball noch einmal zu seinem Innenverteidiger-Kollegen Mladen Krstajic. Dem gelang aus 14 Metern halblinker Position der perfekte Diagonalschuss: Genau neben dem rechten Pfosten rauschte der Ball zum 2:0 ins Netz (17.). Trotz des Rückstands ließ die Gäste schon in dieser Phase den Ball gut laufen, die Knappen mussten defensiv auf der Hut sein. Etwa, als Berbatov Tranquillo Barnetta freispielte. Torhüter Rost war jedoch schneller am Ball als der Schweizer Nationalspieler (20.).
Die Schalker fanden nun über den sehr ballsicheren Lincoln nach und nach auch nach vorn. So hätte das dritte Schalker Tor auch in einen Lehrfilm über Fußball Einzug finden können: Rafinha spielte sich mit einem Doppelpass mit Lincoln frei. Die Flanke des Brasilianers köpfte Zlatan Bajramovic aus fünf Metern zum 3:0 unter die Latte (34.). Schalke klar auf der Siegerstraße, auch wenn auf der anderen Seite der Schwede Frederic Stenman aus 16 Metern nur knapp vorbei zielte (35.).
Aus heiterem Himmel kamen die Leverkusener zu ihrem ersten Tor: Bei Freiers Flanke zögerten Bordon und Rafinha mit dem Eingreifen, Voronin köpfte unhaltbar für Rost zum 3:1 ins Eck (41.). Ein ärgerlicher Gegentreffer nach soviel konzentrierter Abwehrarbeit (41.). Vor der Pause hätten die Schalker den alten Abstand sogar wieder herstellen können, doch Kuranyi schloss zu überhastet ab und wenige Augenblicke später gab Lincoln sieben Meter vor dem Tor uneigennützig ab, anstatt den Treffer selbst zu erzwingen (45.).
Diese absolut sehenswerte erste Hälfte sollte im zweiten Durchgang noch einmal übertroffen werden – und wie! Denn die Gäste – im Bewusstsein in der VELTINS-Arena bis zu diesem Samstag noch nie und auf Schalke seit 1997 nicht mehr verloren zu haben – überstanden gleich nach dem Wechsel zunächst eine Großchance von Lincoln. Und dann köpfte Berbatov auf Flanke von Schneider aus fünf Metern zum 3:2 ein (50.). Das erinnerte an die letzte Saison, als Bayer aus einem 1:3-Pausenrückstands noch ein 3:3 gemacht hatte. Gegen diesen Zwischenstand hatte Kevin Kuranyi offensichtlich etwas. Der Nationalspieler zog nach Zuspiel von Lincoln aus 25 Metern ab und überraschte Butt mit einem Aufsetzer: 4:2 für Schalke (54.)!
Alles schien vorentschieden, als Larsen eine Flanke von Rafinha klasse mit der Brust annahm und aus elf Metern halblinker Position mit links ins rechte Eck jagte – 5:2 für S04, da konnte doch nichts mehr schief gehen (63.)! Doch als Bordon eine Hereingabe von Schneider in den Lauf von Voronin grätschte, drosch der Ukrainer den Ball aus 17 Metern in den rechten Winkel – nur noch 5:3 (64.). Leverkusen ließ nun nicht locker. Juan köpfte nach einer Flanke von Barnetta noch übers Tor (68.), dann setzte sich der eingewechselte Jacek Krzynowek beim Pressschlag gegen Rafinha durch, schoss hart und platziert zum 5:4 ein (70.).
Das Spiel nun auf des Messers Schneide, als Juan Larsen 25 Meter vor dem Tor rüde von den Beinen holte. Wieder fühlten sich alle an das Spiel aus der vergangenen Spielzeit erinnert. Damals hatte Lincoln Bayer-Torhüter Butt mit zwei Freistößen bezwungen. Diesmal versuchten die Leverkusener mit Spielern auf der Linie Lincoln zu verunsichern. Doch der Spielmacher krönte seine Klasseleistung mit einem Traumtor in den Winkel zum 6:4 (76.). Die gelbe Karte fürs Trikot ausziehen nahm er anschließend in Kauf.
Nun brachen auf den Rängen alle Dämme. „Oh, wie ist das schön!“, hallte es durchs Stadion, La-Ola-Wellen rollten über die Tribünen, Standing Ovations gab es gleich reihenweise. Mitten in diesen Trubel machte der eingewechselte Gerald Asamoah alles klar. Er ließ Madouni einfach stehen, drang über rechts in den Strafraum ein und bezwang Butt mit einem Flachschuss zum 7:4 (80.).
Damit hatten die Schalker endgültig Geschichte geschrieben: Sieben Tore hatten sie zu Bundesligazeiten zwar bei den Auswärtssiegen in der Saison 1976/77 bei Bayern München (7:0) und dem Karlsruher SC erzielt (7:1), doch zu Hause war dies den Knappen noch nie gelungen. Und elf Treffer in einem Bundesligaspiel hatte es für Schalke ebenfalls nur einmal gegeben – beim 0:11 bei Borussia Mönchengladbach am 7. Januar 1967. Bisherige Rekordmarke bei Heimspielen war ein 5:5 gegen Bayern München in der Spielzeit 1974/75. Damals hatten die Königsblauen eine 5:2-Pausenführung noch verspielt.