Schwerer Tadel vom Konzern
VON WILLI FELDGEN UND KARLHEINZ WAGNER, 07.03.06, 07:06h
Werner Wenning, Vorstandschef der Bayer AG, nennt Calmunds Finanzgebaren „nicht akzeptabel“.
Köln - Die Bayer AG freut sich über ein gutes Jahresergebnis, die ausgegliederte Chemie-Sparte funktioniert, und die Fußball spielende Tochter des Unternehmens punktet in der Bundesliga mit wachsender Regelmäßigkeit. Und dennoch ist die Stimmung beim Konzern etwas getrübt, wenn die Rede auf den reklame- und imageträchtigen Bereich Fußball kommt. Am Rande der Bilanzpressekonferenz des Konzerns bezeichnet der Vorstandsvorsitzende der Bayer AG, Werner Wenning, die am Wochenende publik gewordene Finanzaffäre um Ex-Manager Reiner Calmund als „eine sehr unerfreuliche Angelegenheit“. Calmunds „Finanzgebaren in dem hier zur Diskussion stehenden Fall war nicht akzeptabel“, fügte Wenning hinzu. Man habe dann, um öffentliche Diskussionen über den Fall zu vermeiden, die „konzernübliche Abfindungsregelung angewandt“.
Diese Regelung entspricht nicht vollständig den vom Nachrichtenmagazin „Spiegel“ dargestellten Umfängen. Das Magazin hatte berichtet, Calmund kassiere seit seinem unfreiwilligen Abschied von Bayer Leverkusen im Juni 2004 bis zum Ende des laufenden Vertrags 2007 jährlich 350 000 Euro - eine Direktorenpension. Anschließend, schrieb das Magazin, erhalte Calmund 80 Prozent der Bezüge als Altersgeld. Richtig sei, sagte Wenning jetzt, dass Calmund von 2007 an - wie im Bayer-Konzern üblich - 40 Prozent seiner Bezüge als Altersruhegeld bekomme.
Ob es dabei bleibt, könnte von der weiteren Entwicklung des Falles abhängen. Denn Reiner Calmund rückt inzwischen zunehmend in das Blickfeld jener Stellen, die mit ungeklärten Bargeld-Transaktionen in seiner Zeit als Manager beim Fußball-Bundesligisten Bayer 04 Leverkusen befasst sind. Das Kommissariat Wirtschaftskriminalität der Bielefelder Polizei ermittelt gegen Calmund wegen Untreue und gegen den an der Affäre beteiligten Gütersloher Spielerberater Volker Graul wegen Beihilfe zur Untreue. Nach der noch ausstehenden Vernehmung von zwei Zeugen soll der Fall noch in dieser Woche an die Staatsanwaltschaft Köln übergeben werden. Das bestätigte ein Sprecher der Bielefelder Polizei am Montag der Deutschen Presse-Agentur (dpa).
Calmund berät zurzeit intensiv mit seinen Anwälten über das weitere Vorgehen und will „voraussichtlich am Donnerstag in einer Pressekonferenz zu den Vorwürfen Stellung nehmen“, sagte er. Diese Stellungnahme wird auch beim Bayer-Konzern mit einiger Spannung erwartet, denn der Sportbeauftragte der Bayer AG, Meinolf Sprink, vertröstet die Öffentlichkeit zurzeit damit: „Wir werden mit Äußerungen zu diesem Thema warten, bis Reiner Calmund sich geäußert hat.“ Calmunds bisherige Aussagen zum Thema haben da nicht weitergeholfen. „Eines weiß ich ganz sicher, ich habe mich nicht persönlich bereichert“, hatte der Manager am Sonntag erklärt - aber das hatte ihm auch niemand vorgeworfen.
Volker Graul, der von Calmund 580 000 Euro für die Anbahnung zweier dann nicht vollzogener Spieler-Optionen erhalten hatte, zeigte sich in Bielefeld überrascht von den Aktivitäten der Polizei. „Ich bin mir keiner Schuld bewusst, da ich kein Geld geklaut habe“, sagte der ehemalige Fußball-Profi und Spielervermittler der Zeitung „Neue Westfälische“ (Montag-Ausgabe). Der von Calmund übergebene Betrag hatte der Vermittlung einer Kaufoption für die Spieler Andrija Delebasic (Partizan Belgrad) und Darijo Srna (Hajduk Split) gegolten - dieser Verwendungszweck konnte aber nicht nachgewiesen werden, was dann im Juni 2004 zur damals völlig überraschenden Trennung zwischen Bayer 04 Leverkusen und Reiner Calmund geführt hatte.