Bayer Leverkusen leidet unter der Finanzaffäre um Ex-Manager Calmund und rutscht ins Mittelfeld der Tabelle ab
von Björn Lindert
Der Sportchef saß mit düsterem Gesichtsausdruck auf der Tribüne, und die Mimik von Rudi Völler hatte gleich zwei Gründe. Zum einen reihte sich sein Klub Bayer Leverkusen nach dem 1:2 (0:1) gegen Mainz ein in das graue Mittelmaß der Tabelle, das allenfalls noch um den einen verbliebenen Uefa-Cup-Rang kämpft. Zum anderen mußte sich Völler bei der Schlammschlacht zwischen seinem Arbeitgeber und seinem Freund Reiner Calmund vorkommen wie ein Mann, der zwischen allen Stühlen sitzt. Er schwieg deshalb weiter beharrlich zur Finanzaffäre in Leverkusen.
Andere dagegen gaben sich am Wochenende redseliger. Und man kann vermuten, daß die Auseinandersetzung zwischen Calmund und Leverkusen langsam die Grenzen der Fairneß überschreitet. Meinolf Sprink, Sportbeauftragter der Bayer AG, erklärte: "Wir sind schon weit von einem Punkt entfernt, wo wir über Zwischenmenschlichkeit reden, das ist Juristerei. Insofern spielen hier menschliche Emotionen leider eine untergeordnete Rolle."
Zwei Wochen hatte die sportliche Führung des Chemieriesen zu der Finanzaffäre rund um den Fußball-Bundesligisten geschwiegen. Zwei Wochen voller Spekulationen, was mit den vermeintlich veruntreuten 580 000 Euro, die von Calmund an den Spielervermittler Volker Graul gezahlt worden sind, passiert ist. Zwei Wochen voller Verdächtigungen, wer die Affäre ins Rollen gebracht haben könnte. Daß Calmund zwischenzeitlich vermutete, sein ehemaliger Klub führe einen Feldzug gegen ihn, rief nun offenbar Sprink auf den Plan. Er brach gar seinen lange geplanten Wochenend-Trip nach Mallorca ab. "Wir mußten feststellen, daß eine gewisse Kampagne läuft, und da mußten wir mal einen Haltepunkt setzen", sagte Sprink.
Den Vorwurf, selbst eine Kampagne initiiert zu haben, wies Calmund weit von sich, sein Anwalt Dr. Stefan Seitz drehte den Spieß um: "Nicht Reiner Calmund hat eine Kampagne gestartet, das Ganze ist vor zwei Wochen durch die Bayer Fußball GmbH und ihre Presseerklärung zuerst ausgeführt worden." Am 4. März hatte der Verein auf eine Vorabmeldung eines "Spiegel"-Artikels reagiert und erstmals öffentlich gemacht, daß die Trennung vom Manager im Sommer 2004 nicht aus gesundheitlichen Gründen erfolgt sei, sondern aufgrund des Finanzgebarens von Calmund.
Mittlerweile ist die Schlammschlacht in vollem Gange. Der nächste Vorwurf des Konzerns lautet, daß der ehemalige Manager mit Angriffen auf den jetzigen Geschäftsführer Wolfgang Holzhäuser von den eigentlichen Sachverhalten ablenken wolle, "anstatt nachprüfbare Fakten über den Verbleib und die Verwendung der 580 000 Euro Barentnahmen vorzulegen", wie es in einer Pressemitteilung heißt. Die Gegenseite fährt postwendend den Konter. Eine gemeinsame Aufklärung sei von Bayer abgelehnt worden, ließ Rechtsanwalt Seitz verlauten. Und Calmund selbst versicherte: "Die Bayer AG braucht sich keine Sorgen zu machen. Ich werde den Sachverhalt bei der Staatsanwaltschaft restlos aufklären. Danach, ich betone danach, werden wir über das Finanzgebaren reden, aber von und mit jedem."
Bei einer Schlammschlacht werden bekanntlich beide Seiten dreckig. Calmund will mit den Funktionären des Vereins nun nichts mehr zu tun haben. Bayer stellt sich voll hinter Geschäftsführer Holzhäuser und zeigt trotzdem nur bedingt ein gutes Krisenmanagement. Die Fans interessieren sich für die komplizierten Sachverhalte ohnehin nur noch am Rande. Sie schwelgen in Erinnerungen an kostspielige, aber auch erfolgreiche Zeiten unter Calmund. Nach dem Treffer zum 0:2 am Samstag hallten "Calli"-Sprechchöre durchs Stadion.