Ermittlungen
Verdacht gegen Bayer Leverkusen
Im Abstiegskampf von 2003 könnten drei Bundesligaspiele manipuliert gewesen sein. Die Kölner Staatsanwaltschaft prüft Hinweise „mit Substanz“.
Von Hans Leyendecker und Johannes Nitschmann
Die Staatsanwaltschaft Köln hat offenbar Anhaltspunkte dafür, dass im Mai 2003 drei Bundesligaspiele mit Beteiligung von Bayer 04 Leverkusen manipuliert worden sein könnten.
Es handelt sich um die Heimspiele der Bayer-Mannschaft gegen Arminia Bielefeld (3:1), 1860 München (3:0) und das Auswärtsspiel der Leverkusener beim 1. FC Nürnberg (1:0). Den Leverkusenern drohte damals der Abstieg in die zweite Bundesliga.
Der Sprecher der Behörde, Oberstaatsanwalt Günther Feld, erklärte auf SZ-Anfrage, dass derzeit weiterhin nur wegen Verdachts der Untreue gegen den ehemaligen Bayer-Geschäftsführer Reiner Calmund und den Spielerberater Volker Graul ermittelt werde. Dabei geht es um den Verbleib von 580.000 Euro aus der Bayer-Klubkasse, die Calmund an Graul für so genannte Kaufoptionen auf ausländische Jung-Nationalspieler bezahlt haben will.
Calmund soll zu diesem Vorwurf in der kommenden Woche von der Staatsanwaltschaft vernommen werden. Die Ermittlungen laufen aber inzwischen, so Feld, „in alle denkbaren Richtungen“. Feld bestätigte, dass es in den Ermittlungsakten Hinweise „mit Substanz“ auf mögliche Spielmanipulationen gebe: „Wir haben bei unseren Ermittlungen keine Scheuklappen auf. Es wäre unsinnig, eine Möglichkeit wie Manipulationen auszuschließen“, sagte der Strafverfolger.
Calmund bestreitet vehement
Jüngst hatte es Spekulationen gegeben, dass der damalige Bielefelder Profi Ansgar Brinkmann in eine Manipulation des Spiels seiner Elf am 4. Mai 2003 in Leverkusen verstrickt sein könnte. Leverkusen stand damals auf Rang 16, einem Abstiegsplatz. Brinkmann verwandelte zunächst für seine Mannschaft einen Foulelfmeter und handelte sich dann leichtfertig einen Platzverweis ein.
Sowohl die Bielefelder Kriminalpolizei als auch die Kölner Staatsanwaltschaft schließen – derzeit zumindest – aus, dass Brinkmann in eine angebliche Manipulation verwickelt sein könnte. Calmunds Kölner Anwalt Stefan Seitz bezeichnet die Vorwürfe, angeblich seien Spiele manipuliert worden, als „absolut haltlos“. Calmund solle offenkundig in Misskredit gebracht werden, „nachdem abzusehen ist, dass die Untreuevorwürfe nicht aufrechterhalten werden können“. Auch Calmund bestreitet vehement, Spiele gekauft zu haben.
Sollten sich Indizien bestätigen, dass in der Saison 2002/2003 Bayer 04 im Abstiegskampf Spiele gekauft hat, würde dies dem deutschen Profifußball eine Krise vor der Fußball-Weltmeisterschaft bescheren. Dem Verein würden schwerste Sanktionen drohen. Die Hinweise, dass möglicherweise Spiele gekauft wurden, sind nicht durch Dokumente belegt. Die Hinweise stammen seltsamerweise, ausweislich der Akten der Staatsanwaltschaft, entweder von Verantwortlichen des Vereins oder von Journalisten, die dann über den Verdacht berichteten.
Am 16.Februar 2006 führten der Bielefelder Kriminalhauptkommissar Karl-Heinz Wallmeier und ein anderer Beamter wegen Vorermittlungen im angeblichen Bayer-Fall ein „informelles Gespräch“ mit dem Chefsyndikus des Bayer-Konzerns, Roland Hartwig, dem Fußball-Geschäftsführer, Wolfgang Holzhäuser, und einem Strafverteidiger. Dabei ging es um den Verbleib von 580000 Euro, die Calmund und ein Bayer-Buchhalter mit drei Barschecks im Juni 2003 bei der Sparkasse Leverkusen eingelöst hatten.
Nach dem Gespräch mit den Bayer-Leuten fertigte Wallmeier einen Vermerk über den angeblichen Weg der 580000 Euro. Danach habe ein damaliger Bundesliga-Manager, den Calmund lange kannte, angeblich nach dem Sieg von Leverkusen in Nürnberg 350000 Euro erhalten und an einen Nürnberger Spieler weitergereicht. Weitere 80000 Euro habe ein Spielerberater erhalten. Der Verbleib von 150000 Euro sei nicht zu klären.
Aus den Akten geht hervor, dass die angebliche Manipulation des Spiels in Nürnberg Thema bei Bayer 04 war. Calmund wurde damals vor den Gesellschafter-Ausschuss geladen. Der Fußball-Manager soll die Bayer-Leute mit dem kleinen Einmaleins der etwas schmutzigen Fußball-Welt vertraut gemacht haben. Auf die Frage, wer von einer solchen Manipulation wissen könne, soll Calmund, wie er gegenüber Vertrauten sagte, erklärt haben: „Wenn ich so was mache, mache ich es alleine“.
Er habe aber nicht manipuliert. In der Strafanzeige, die Wallmeier am 6.März 2006 fertigte, taucht das Nürnberger Spiel nicht auf. Der Vermerk über das Gespräch mit den Bayer-Leuten aus dem Februar wurde allerdings als Anlage den Unterlagen beigeheftet, die der Kölner Staatsanwaltschaft geschickt wurden.
Gerede oder Skandal?
Am 10. März 2006 wurde Holzhäuser dann von der Staatsanwaltschaft Köln als Zeuge gehört. Am Ende der Vernehmung machte ein Ermittler einen „Vorhalt“ und wollte von dem Bayer-Manager erfahren, was dieser über mögliche Manipulationen von Bundesligaspielen wisse. Holzhäuser antwortete, es entspreche „dem Naturell von Calmund“, dass dieser immer wieder mal „Andeutungen“ über Spielmanipulationen in größerer Runde gemacht habe. Ohrenzeugen seien etwa der Vorsitzende des Gesellschafterausschusses, Kurt Beck, und der Sportbeauftragte der Bayer AG, Meinolf Sprink, gewesen.
Bei den Calmund-Äußerungen handele es sich nach seiner Einschätzung „lediglich um Schutzbehauptungen, die anderes Fehlverhalten verdecken“ sollten, erklärte Holzhäuser. Dieses Fehlverhalten sehe er im „geschäftlichen Bereich. Ich denke aber nicht, dass sich Calmund persönlich bereichert“ hat. Er könne „nicht glauben, dass für 580000 Euro drei Bundesligaspiele gekauft wurden“. Das „sei schon von der Größenordnung sehr unwahrscheinlich“.
Gerede oder Skandal? Calmund, der sich selbst als „Drecksau“ oder „Schlitzohr" bezeichnet, liebte es, in Andeutungen zu sprechen und wichtig zu tun. In einem der fraglichen Spiele, bei denen es einen noch vagen Manipulationsverdacht gibt, sprach Calmund auf der Tribüne mit Verantwortlichen des Vereins über den Torwart der gegnerischen Mannschaft, der einen leichten Ball hatte passieren lassen: „Meint ihr, der hält immer so schlecht?“ Daraus wurde bei Bayer ein Vorgang.
(SZ vom 25.03.2006)