Sollte sich der Verdacht bestätigen, könnte dies Bayer Leverkusen in die größte Krise der Vereinsgeschichte stürzen und dem deutschen Fußball vor der Weltmeisterschaft einen Image-Verlust ungeahnten Ausmaßes bescheren. Wie der Kölner Staatsanwalt Günther Feld gegenüber KSTA-Online bestätigte, hat sich der Verdacht erhärtet, dass Leverkusen in Manipulationen von Erstliga-Spielen verwickelt sein soll. Dabei soll es sich um drei Partien aus dem Jahre 2003 gegen Bielefeld, 1860 München und den 1. FC Nürnberg handeln. "Das sind keine Gerüchte mehr", sagte Feld. "Es gibt Hinweise mit Substanz, denen wir jetzt nachgehen müssen und werden." Die drei besagten Spiele waren die letzten der Saison 2002/03. Leverkusen war damals mitten im Abstiegsschlamassel und hat alle Spiele gewonnen.
Feld betonte jedoch, dass zum jetzigen Zeitpunkt weiterhin nur wegen des Verdachts der Untreue gegen Calmund ermittelt werde. Dabei geht es um den Verbleib von 580 000 Euro des Bundesligisten, die Calmund an den Spielerberater Volker Graul für so genannte Kaufoptionen auf ausländische Jungnationalspieler gezahlt haben soll.
Im Fokus der Untersuchungen steht jedoch nicht der Verein selbst, sondern vielmehr Rainer Calmund, der zu dieser Zeit noch als Manager des Klubs beschäftigt war. Dies geht nach Informationen von KSTA-Online aus dem Bericht eines Anwalts der Bayer-AG hervor.
Calmund geriet bereits Anfang dieses Monats in den Verdacht, Spiele manipuliert zu haben. Zuerst hieß es, er habe 580.000 Euro des Vereins veruntreut. Damit soll er über einen Spielevermittler zwei Spieler, einen Serben und einen Kroaten, zum Klub geködert haben. Allerdings kam dieser Transfer nie zustande. Dann kam ein neuer Vorwurf auf: Calmund soll das Geld genutzt haben, um damit den Sieg des Vereins gegen Bielefeld am 4. Mai 2003 herbeizuführen. Dabei soll ihm der damalige Bielefelder Fußball-Profi Ansgar Brinkmann geholfen haben, der absichtlich seinen Platzverweis provoziert habe.
Wie aus Justizkreisen bekannt wurde, wird Calmund bislang ausschließlich aus dem Umfeld seines früheren Arbeitgebers Bayer 04 Leverkusen mit möglichen Spielmanipulationen in Verbindung gebracht. So soll er im April 2004 gegenüber leitenden Mitarbeitern der Bayer AG gesagt haben, beim Bundesligaspiel Bayer 04 Leverkusen gegen 1860 München am 33. Spieltag der Saison 2002/2003 sei "etwas gelaufen". Calmunds Anwalt wies die neuen Beschuldigungen als "absolut haltlos und abenteuerlich" zurück.
Laut Informationen des "Westfalen-Blatts" kommen auf Calmund auch weitere Vorwürfe der Untreue zu. So soll Calmund im Mai 2004 versucht haben, weitere 812 000 Euro an Spielerberater Graul zu zahlen. Die Überweisung soll gescheitert sein, da die zweite Unterschrift eines Bayer-Verantwortlichen gefehlt habe. Der in Bielefeld erscheinenden Tageszeitung lägen Unterlagen des Vereins vor, die ein entsprechendes Zahlungsversprechen beinhalten, hieß es.
Voraussichtlich in der kommenden Woche wird Calmund von der Staatsanwaltschaft Köln zu den Vorwürfen befragt.
Auch die Staatsanwaltschaft München I hat nach Informationen des Nachrichtenmagazins "Focus" Ermittlungen eingeleitet. Im Rahmen des Ermittlungsverfahrens seien in der vergangenen Woche mehrere Objekte in München und Nürnberg durchsucht worden, bestätigte Oberstaatsanwaltschaft Anton Winkler am Samstag der dpa einen entsprechenden Bericht des Nachrichtenmagazins "Focus". Da die Auswertungen der Erkenntnisse noch andauern, sei eine abschließende Bewertung noch nicht möglich, teilte Winkler mit. Er stellte zudem fest: "Fußballspieler waren von dieser Maßnahme nicht betroffen."
Laut "Focus" stehen drei Beschuldigte in dem Verdacht des "gewerbs- und bandenmäßigen Betrugs". Sie sollen mehrere Fußballspiele manipuliert haben, darunter das Eröffnungsspiel der Münchner Allianz Arena am 30. Mai 2005 zwischen dem TSV 1860 München und dem 1. FC Nürnberg (3:2).
"In vergleichbarer Weise" sollen die Beschuldigten auch drei Spiele der 1. Bundesliga manipuliert haben. Wie "Focus" berichtet, soll es sich um die Begegnungen VfL Wolfsburg gegen den 1. FC Nürnberg (1:1), Werder Bremen gegen Nürnberg (6.2) und Nürnberg gegen Arminia Bielefeld (2:3) handeln.
Der 1. FC Nürnberg stellte in einer ersten Stellungnahme fest, dass der Club keinerlei Kontakt mit der Staatsanwaltschaft oder anderen dafür zuständen staatlichen Behörden habe. "Es hat auch keinen Versuch der Kontaktaufnahme gegeben", teilte der "Club" mit. Es gebe keinerlei Berührungspunkte zu den Darstellungen des Nachrichtenmagazins.
Auch Werder Bremen hat nach Angaben von Sportdirektor Klaus Allofs im Zusammenhang mit dem Wettskandal keinen Kontakt zur Staatsanwaltschaft München. Der frühere Nationalspieler betrachtet die neue Entwicklung mit großer Sorge. "Ich finde es unglaublich bedenklich, dass scheinbar wieder ohne Beweise Spekulationen betrieben werden", sagte Allofs. "Ich glaube, dass es sich wieder so verhalten wird, dass man sich hinterher kleinlaut zurückzieht", fügte er hinzu.