Köln (rpo). Nach vielen Gerüchten und Anschuldigungen sollen im Manipulationsskandal nun endlich Fakten her. Die Staatsanwaltschaft Köln hat mit den Vernehmungen von Reiner Calmund begonnen. Gegen den 57 Jahre alten ehemaligen Geschäftsführer des Bundesligisten Bayer Leverkusen wird sei Anfang März wegen des Verdachts der Untreue ermittelt.
Am Wochenende waren zudem Manipulationsvorwürfe gegen Calmund publik gemacht worden, nachdem Anwalt Walther Graf am 9. März 2006 eine zwölfseitige Bayer-Stellungnahme der Ermittlungsbehörde zur Verfügung gestellt hatte.
Demnach habe Calmund angedeutet, dass beim Bundesligaspiel Bayer Leverkusen gegen 1860 München (3:0) am 33. Spieltag der Saison 2002/2003 "etwas gelaufen" sei. Das Nachrichten-Magazin Der Spiegel hatte in seiner Montag-Ausgabe aus dem Schriftsatz zitiert. Die Rheinländer standen damals auf einem Abstiegsplatz und benötigten unbedingt an den letzten beiden Spieltagen zwei Siege zum Klassenerhalt.
Außer bei der Partie Bayer-1860 soll es auch bei den Begegnungen zwischen Leverkusen und Arminia Bielefeld (3:1) und 1. FC Nürnberg gegen Bayer (0:1) Anhaltspunkte geben, dass es zu Manipulationen gekommen sein könnte. Der Sprecher der Kölner Staatsanwaltschaft, Oberstaatsanwalt Günther Feld, sprach von Hinweisen "mit Substanz" auf mögliche Spielbeeinflussung. Calmunds Rechtsanwalt Dr. Stefan Seitz hatte die Anschuldigungen als "absurd" zurückgewiesen. Calmund kündigte an, mit seinen Aussagen vor der Ermittlungsbehörde alle Vorwürfe zu entkräften.
Feld sagte am Montag dem Sport-Informations-Dienst (sid), dass er zum Inhalt der Vernehmung keine Auskunft geben könne. Möglicherweise werden sich aber die Befragungen Calmunds über einen längeren Zeitraum hinziehen. Außer gegen Calmund wird auch gegen den Spielervermittler Volker Graul (Verdacht auf Beihilfe zur Untreue) ermittelt. Dabei geht es um den Verbleib von drei Schecks in der Gesamthöhe von 580.000 Euro, die an Graul geflossen waren.
Der Geschäftsführer des Bundesligisten Bayer Leverkusen, Wolfgang Holzhäuser, hat mittlerweile den Deutschen Fußball-Bund (DFB) über den Kenntnisstand des Werksklubs in Bezug auf die Manipulationsvorwürfe gegen Ex-Manager Calmund informiert. Wie der sid erfuhr, informierte Holzhäuser den Geschäftsführenden DFB-Präsidenten Theo Zwanziger und -Justitiar Goetz Eilers höchstpersönlich bei einem Treffen.
Auf Anfrage erklärte DFB-Mediendirektor Harald Stenger: "Ich kann bestätigen, dass Wolfgang Holzhäuser Kontakt zu uns aufgenommen und Unterlagen hinterlegt hat." Möglicherweise handelt es sich bei den Schriftstücken um die von Graf verfasste Bayer-Stellungnahme.
Der DFB hält sich unterdessen zurück. Der Verband werde die Vernehmung von Reiner Calmund abwarten, so Stenger, und erst danach gegebenenfalls eine Stellungnahme abgeben. Konkrete Erkenntnisse, dass Spiele tatsächlich manipuliert wurden, würden derzeit nicht vorliegen. Die Staatsanwaltschaft kündigte Ermittlungen in alle Richtungen an, sprach von einem "Anfangsverdacht".
Calmund hatte die Zahlung der 580.000 Euro an Graul mit dem Erwerb von Kaufoptionen an Spielern begründet. Offenbar fehlen dafür allerdings weiterhin Belege, unterdessen kann auch wie von Calmund behauptet ein Scheitern des Deals nicht ausgeschlossen werden. Die Faktenlage ist in dieser Angelegenheit ebenso diffus wie bei den Hinweisen zu möglichen Spielmanipulationen.
Als Calmund vor dem Gesellschafterausschuss erstmals angedeutet hatte, das Ergebnis des Spiels gegen 1860 München sei "nicht durch einen sportlichen Wettkampf, sondern durch Zuwendungen an Sportler bestimmt worden", nannte er laut der Bayer-Stellungnahme sogar Namen von Spielern. Der Spiegel behauptet, die Namen der Kicker zu kennen.
Eine verlässliche Quelle bestätigte derweil dem sid, dass die Bayer AG bei dem Bayreuther Rechtswissenschaftler Herro Otto vorsorglich ein Gutachten über die juristischen Konsequenzen einer möglichen Manipulation in Auftrag gegeben habe; dies hatte der Spiegel berichtet.
Dabei ging es unter anderem auch um die Rechtfertigung einer Abfindungszahlung an Calmund - trotz der Andeutungen des Ex-Managers vom Mai 2004. Zudem ging es um mögliche Auswirkungen auf Sponsorenvereinbarungen. Neuen Sponsoren wurde "aus Gründen äußerster Vorsorge" ein Sonderkündigungsrecht eingeräumt.