Der Druck auf Calmund nimmt zu: Leverkusens früherer Manager wurde in Köln vernommen – Politiker wünschen seinen Rücktritt als WM-Botschafter
Von Erik Eggers, Köln, Frank Bachner und Robert Ide
Zu den bemerkenswertesten Eigenschaften Reiner Calmunds gehört, dass er sich bei größter Nervosität neues Selbstvertrauen beim Reden holt. So war es im Koblenzer Kokain-Prozess gegen Christoph Daum, als er als Zeuge auftrat. So war es kürzlich bei der bizarren Pressekonferenz, mit der sich der Ex-Manager Bayer Leverkusens zur Wehr setzte gegen Vorwürfe, er habe 580 000 Euro aus der Vereinskasse entnommen – ohne Beleg. In seinen Reden, die gern mal zehn Minuten dauern, fand der verunsicherte Calmund schnell zurück in seinen langatmigen Rheinland-Sound, der ihn berühmt machte in 27 Dienstjahren bei Bayer. Insofern überraschte es nicht, dass sich die Vernehmung Calmunds, die gestern die Kölner Staatsanwaltschaft durchführte, über viele Stunden zog – die Erklärungen Calmunds, was mit den 580 000 Euro geschah, erforderten einen langen Atem.
„Es sind komplizierte Vorgänge, noch ist vieles Spekulation“, sagte Günther Feld, der Sprecher der Staatsanwaltschaft, am Rande der Vernehmung am Montag. Demnach habe die Staatsanwaltschaft Hinweise, dass das Geld für die Manipulation von mindestens einem Bundesliga-Spiel verwendet worden sein könnte. Calmund beteuert, den Betrag für den Kauf von Optionen für Spieler gezahlt zu haben. Keine Manipulationen hat es nach Angaben der Staatsanwaltschaft in der Saison 2002/2003 im Spiel gegen Arminia Bielefeld gegeben. „Das hat sich als Gerücht herausgestellt“, erklärte Feld. Für ein anderes Spiel gebe es aber ernst zu nehmende Hinweise. Die Ermittlungen dürften sich deshalb in den nächsten Wochen erheblich ausdehnen.
Wie Feld dem Tagesspiegel bestätigte, werden „sicher auch diejenigen Personen vernommen“, die laut „Spiegel“ seit November 2003 die Andeutungen Calmunds kannten, das Spiel gegen 1860 München am 19. Mai 2003 (3:0) sei manipuliert und so der Abstieg des Klubs verhindert worden. Dabei handelt es sich um die Mitglieder des Gesellschafterausschusses des Klubs, unter ihnen der Vorsitzende Klaus Beck und Meinolf Sprink, Sportbeauftragter des Konzerns. Wahrscheinlich müssen diese Ohrenzeugen dann auch erklären, warum der Klub seinen Sponsoren von 2004 an ein Sonderkündigungsrecht einräumte für den Fall, dass Manipulationsvorwürfe bekannt werden. „Dies haben wir aus reiner Vorsorge gemacht“, sagte Geschäftsführer Wolfgang Holzhäuser. Auch Spieler von 1860 München, die Calmund damals genannt haben soll, dürften laut Feld vernommen werden.
Juristisch strafbar ist eine Spielmanipulation aber nicht. „Das unterliegt der Sportgerichtsbarkeit“, sagt Feld. Der Deutsche Fußball-Bund (DFB) will die Ermittlungen abwarten. Sollten sich die Vorwürfe erhärten, können die Spieler juristisch nur wegen „Beihilfe zur Untreue“ belangt werden. Die juristische Konstruktion ist kompliziert: Dafür müsste den Spielern nicht nur nachgewiesen werden, dass sie Geld zwecks Spielbeeinflussung genommen haben. Sondern auch, dass sie wussten, dass dieses Geld aus illegalen Zusammenhängen stammt.
Wie sich die Dinge bei Bayer Leverkusen entwickeln, ist eine weitere spannende Frage. Denn die Tatsache, dass erst das Schreiben der Bayer AG vom 9. März 2006 „die Dynamik in Richtung Spielmanipulation“ beschleunigte, wie Feld bestätigte, wird Bayer-Sportdirektor Rudi Völler, bekanntermaßen ein Intimus Calmunds, nicht erfreuen. Schon die Presseerklärungen des Klubs, die Geschäftsführer Wolfgang Holzhäuser nach den ersten Vorwürfen initiierte, fanden nicht den Gefallen Völlers. Das Verhältnis zwischen Holzhäuser und Völler ist zerrüttet. Dass irgendwann einer der beiden Führungsfiguren den Verein verlassen wird, gilt als ausgemacht.
Calmunds Leverkusener Amtszeit ist längst vorbei. Nun könnte er noch eine andere Funktion verlieren: die als WM-Botschafter von Nordrhein-Westfalen. Für die Aufgabe erhält Calmund nach Angaben aus informierten Kreisen 14 000 Euro für drei Monate, davon muss er Büro und Fahrtkosten zahlen. Nach Informationen des Tagesspiegels hat das für Sport zuständige Innenministerium des Landes mit Calmund gesprochen, um ihn zum Rückzug zu bewegen. Calmund sperre sich, da dies einem Schuldeingeständnis gleichkomme, hieß es in informierten Kreisen. Innerhalb der Landesregierung wächst der Unmut darüber, dass Calmund das Amt beschädige. Offiziell will sich die Regierung nicht äußern. „Wir warten die Ermittlungen ab“, sagte Ludger Harmeier, der Sprecher des Innenministeriums. Zunächst müsse die Vernehmung ausgewertet werden. So lange gelte die Unschuldsvermutung.