Gefährliches Accessoire

  • Gefährliches Accessoire
    VON STEPHAN KLEMM, 28.03.06, 06:45h


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    Ursprünglich war die Sache ja mal so gedacht: Die Bayer AG in Leverkusen füttert ihre Fußball-Tochter Bayer 04 mit Geld und Sachwerten und bekommt dafür im bestmöglichen Fall ein rassiges Image, das vor lauter tollen Ergebnissen und hübsch dargebotenem Fußball ja gar nicht anders sein kann als prima. Darüber gilt es nicht zu vergessen: Der immer wieder aufrecht erhaltene Fußballbetrieb ist für den großen Konzern ein Spielzeug, ein Luxus, ein Accessoire. Eine Sache, die Spaß macht im Erfolg; eine Sache, die man sich sogar auch in Zeiten des Misserfolgs weiter leistet. Etwa dann, wenn wie 2003 ein Abstieg aus der Bundesliga drohte.
    Es ist auch im Nachhinein gewiss, dass die Bayer AG bei einem Zweitliga-Einzuges weiter zu ihrem Fußball-Kind gestanden hätte. Einen sportlich negativen Trend kann sie erstaunlich gut verkraften, denn ihre Umfeld ist ja nicht wirklich die verschachtelte, auf Glück und Tagesform angewiesene Ergebniswelt von männlichen Sportgruppen. Die Bayer AG spielt in Wahrheit auf der großen weiten Wiese der Wirtschaft. Falsche Entscheidungen, die dort getroffen werden, beeinflussen das Unternehmen, seinen Aktienkurs und die Anzahl seiner Mitarbeiter nachhaltig. Bayer agiert in einem Kosmos, in dem man einen Pharma-Konkurrenten für einen zweistelligen Euro-Milliarden-Betrag einkauft. Ein Problem mit einem Medikament kann Milliarden kosten. Was bedeutet da ein Abstieg in der Sparte Fußball? Er bedeutet nichts.


    Bedeutsam ist eher, wenn dieses Fußball-Spielzeug eine negative Eigendynamik entwickelt und Ärger macht. Wie etwa vor ein paar Jahren, als man plötzlich merkte, dass man mit einem koksenden Trainer zusammenarbeitete, was ein verheerendes Außenbild ergab. Im Moment geht es um 580 000 Euro in bar, es geht um den Vorwurf der Untreue und der Manipulation, niemand weiß derzeit, wofür Reiner Calmund, der Ex-Geschäftsführer der Fußballabteilung, dem Spielerberater Volker Graul diese Summe überreicht hat.


    Insofern ist es logisch, dass Bayer die gesamten intern aufgefallenen und protokollierten Unregelmäßigkeiten der Staatsanwaltschaft in Köln hat zukommen lassen. Es geht darum, dass im Fall von Calmunds Unschuld irgendwann Ruhe ist und man das Konstrukt Bayer 04 neu und sauber aufstellen kann. Oder dass man, im Falle einer Verurteilung, berechtigte Gründe hat, sich von seinem Spielzeug zu trennen. Denn der Image-Schaden, der im Falle einer Verurteilung der Spielzeugabteilung entstünde, ist nicht abzusehen.


    Die Bayer AG hat sich in der Vergangenheit, was Bayer 04 angeht, großzügig und geduldig gezeigt. Ärger, richtiger Ärger ist in diesem Verhältnis nicht vorgesehen.



    (KStA)

    Nicht da ist man daheim, wo man seinen Wohnsitz hat, sondern wo man verstanden wird. (ChristianMorgenstern)
    „Jede Dummheit findet einen, der sie macht.“ (Tennessee Williams)