Abgang durch die Lieferantentür

  • VON OLAF BACHMANN, 28.03.06, 06:57h


    Köln - Von Reiner Calmund heißt es, er gehe keinem Mikrofon und keiner Fernsehkamera aus dem Weg. Bis gestern Abend durfte man sie glauben, die Legende vom nassforschen Bundesliga-Manager, der alles unter Kontrolle hat, auf rheinisch-hemdsärmelige Art. Gestern Abend verließ Calmund (57) den Häuserblock der Kölner Staatsanwaltschaft nicht auf dem Weg, den er am Vormittag um zehn Uhr mit seinen beiden Anwälten Stefan Seitz und Sven Thomas genommen hatte. Nach siebenstündiger Vernehmung wählte der ehemalige Manager von Bayer 04 Leverkusen den Abgang durch die Lieferantentür. Die Vertreter von Presse, Funk und Fernsehen waren damit düpiert, doch die amtlichen Ermittler werden sich so leicht wohl nicht abschütteln lassen.


    Gegen Calmund wird seit Anfang März wegen des Verdachts der Untreue nach ungeklärten Bargeldzahlungen aus der Bayer-Klubkasse ermittelt. Es geht um den Verbleib von 580 000 Euro, die Calmund freilich in Vorkaufsrechte für Spieler, so genannte Kaufoptionen, investiert haben will. Bei dieser Version blieb Calmund (Siehe: Im Wortlaut) auch bei seinem Kölner Verhör und forderte über seine Anwälte, dass Bayer 04 „die Legende der Spielmanipulationen . . . zurückweist“. Davon ist jedoch nicht auszugehen, denn Bayer 04 selbst hat mit einem zwölfseitigen Dossier seines Anwalts Walther Graf die neuen Vorwürfe erst publik gemacht. In dem Schriftsatz heißt es nach Darstellung des Nachrichtenmagazins „Spiegel“, Calmund habe angedeutet, dass beim Bundesligaspiel Bayer 04 Leverkusen gegen 1860 München (3:0) am 33. Spieltag der Saison 2002 / 2003 „etwas gelaufen“ sei.


    Oberstaatsanwalt Günther Feld lehnte eine Stellungnahme zum Inhalt der Vernehmung ab. Von einer Entkräftung der Manipulationsvorwürfe, wie von Calmunds Anwälten behauptet, könne jedoch „keine Rede sein“, so der Sprecher der Staatsanwaltschaft. Aus anderer Quelle verlautete, dass die Aussagen Calmunds erst gewertet werden müssten. Das kann, wenn man den Redefluss des Rheinländers kennt, eine Weile dauern. Als sicher gilt, dass die Kölner Behörde ihre Ermittlungen ausdehnen und neben mutmaßlichen Augen- und Ohrenzeugen Calmunds auch Münchner Spieler vernehmen will. Genannt wurden der Bayer-Sportbeauftragte Meinolf Sprink und Klaus Beck, der Vorsitzende des Gesellschafterausschusses. Vor diesem Gremium soll Calmund, wie der „Spiegel“ zitiert, am 26. Mai 2004 seine Manipulationsandeutungen geäußert haben, nachdem die Konzern-Revision nach der Verrechnung der 580 000 Euro fragte. Calmund will dem Bielefelder Spielberater Volker Graul die Bargeldsumme zur Auszahlung dreier Münchner Spieler nach dem Leverkusener 3:0-Sieg übergeben haben; die betreffenden 1860-Akteure seien ihm namentlich bekannt.


    Glaubt man dem Inhalt des Bayer-Dossiers, waren der Klubführung derlei Calmund-Sottisen nicht neu. Anspielungen auf Spielmanipulationen seien nach Eindruck der Verantwortlichen vielmehr immer dann Calmunds Masche gewesen, wenn er wegen fragwürdigen Finanzgebarens in Erklärungsnot geriet. Finanz-Geschäftsführer Wolfgang Holzhäuser sprach von „Schutzbehauptungen“ Calmunds mit dem Motiv, ein „unehrenhaftes Ausscheiden“ aus der Klubzentrale zu vermeiden. Trotzdem hat sich der Klub seit April 2004 auf eventuelle juristische Konsequenzen einer möglichen Schieberei eingestellt und Sponsoren bei Vertragsneuabschlüssen ein Sonderkündigungsrecht eingeräumt, wenn Bayer im Zusammenhang mit Manipulationsvorwürfen genannt würde.


    Holzhäuser hat mittlerweile den Geschäftsführenden DFB-Präsidenten Theo Zwanziger und Verbandsjustiziar Goetz Eilers bei einem Treffen über den Kenntnisstand des Klubs informiert. Auf Anfrage erklärte DFB-Mediendirektor Harald Stenger, der Verband sei erst nach Calmunds Vernehmung gegebenenfalls zu einer Stellungnahme bereit. Auch die Deutsche Fußball Liga wolle „zunächst die Ermittlungen dort abwarten“, sagte Liga-Präsident Werner Hackmann.


    (KStA)