Entweder „Idiot oder Drecksack“

  • VON FRANK NÄGELE UND STEPHAN KLEMM, 28.03.06, 06:57h


    Köln - Mit drei Jahren Verspätung wird der Abstiegskampf der Saison 2002 / 2003 neu aufgerollt. Offiziell im Visier der Kölner Staatsanwaltschaft steht das Spiel Bayer 04 Leverkusen gegen 1860 München vom 33. Spieltag, mit dem Leverkusen damals die Abstiegsränge verließ. Während Bayer 3:0 gewann, unterlag Arminia Bielefeld in Rostock mit 0:3 Toren und rutschte damit auf Platz 16. Am letzten Spieltag der fraglichen Saison hätte Bielefeld die Schützenhilfe der bereits abgestiegenen Nürnberger benötigt, um den Abstieg doch noch zu vermeiden. Hier setzt der von Bielefelds Torhüter Mathias Hain geäußerte Verdacht (siehe Interview) ein, denn Nürnbergs Präsident Michael A. Roth hatte gesagt: „Leverkusen hat noch einen gut bei uns.“


    Warum Leverkusen „einen gut“ hatte, wird beim Blick auf die Details deutlich: Es bestanden in jener Zeit ja zahlreiche Verbindungen zwischen Nürnberg und Leverkusen. Bayer wollte nach der Saison den Polen Jacek Krzynowek verpflichten, der noch in Nürnberg unter Vertrag stand. Dies geschah dann auch. Nürnberg konnte eine hohe Ablösesumme gut gebrauchen, die es bei einem Abstieg Leverkusens nicht gegeben hätte. Außerdem besaß Bayer eine erkaufte Option auf den Tschechen David Jarolim. Bayer hatte außerdem noch Paulo Rink nach Nürnberg ausgeliehen, den Franken aber einen Einsatz des Stürmers im Spiel gegen Leverkusen vertraglich untersagt. Hinzu kam, dass Leverkusen zum 33. Spieltag (!) Trainer Klaus Augenthaler verpflichtete, der kurz zuvor in Nürnberg entlassen worden war - Nürnberg hat gerne die Freigabe für seinen Ex-Trainer erteilt: Erstens sparte man die Abfindungskosten für Augenthaler; und zweitens durfte man dank Augenthalers Besuch ein volles Frankenstadion in einem Spiel erwarten, in dem es für Nürnberg um nichts mehr ging. Kurzum: Es ist eine ganze Menge Geld von Leverkusen nach Nürnberg geflossen, und zwar in aller Öffentlichkeit.


    Präsident Roth sagte zudem noch: „Bleibt Leverkusen in der Bundesliga, haben wir einen starken Aufstiegs-Konkurrenten weniger.“ Vor dem Spiel meldet Nürnberg dann acht verletzte oder gesperrte Stammspieler. Leverkusens damaliger Geschäftsführer Reiner Calmund sagte seinerzeit, auf diese Häufung von Umständen angesprochen: „Entweder sind wir Idioten oder Drecksäcke.“ „Idioten“, die mit Spielern wie Lucio, Bastürk, Neuville, Placente, Butt, Juan, Berbatow oder Ramelow bei einem Absteiger nicht gewinnen können. Oder „Drecksäcke“, weil ein Zusammenhang zwischen benötigtem Sieg und Geldfluss selten zuvor derart offenbar geworden ist.
    (KStA)