VON STEPHAN KLEMM UND DETLEF SCHMALENBERG, 29.03.06, 07:06h
Nach dem siebenstündigen Verhör fühlt sich der frühere Bayer-04-Geschäftsführer nach eigener Aussage „erleichtert“.
Köln - Am Montagabend hat Reiner Calmund noch geschwiegen und das Gebäude der Kölner Staatsanwaltschaft lieber durch den Lieferanteneingang verlassen. Auf Geheiß seiner Berater offenbar, aus eigenem Entschluss würde der redselige Ex-Geschäftsführer der Bayer-04-Fußball-GmbH den Medien wohl kaum aus dem Weg gehen. Am Dienstagmorgen hat Calmund sein öffentliches Schweigen dann gebrochen. Das siebenstündige Verhör, bei dem Calmund vor dem Leitenden Staatsanwalt Norbert Reifferscheidt zu eher unangenehmen Themen wie Untreue und Spielmanipulationen befragt worden war, sei für ihn ein „Befreiungsschlag“ gewesen, der ihn „sehr erleichtert“ habe.
Bei der Kölner Staatsanwaltschaft äußerte man sich dazu jedoch deutlich zurückhaltender. „Wir werden die Fakten in Ruhe prüfen und bewerten. Nur im Fußball ist es so, dass man gleich nach dem Abpfiff weiß, wie es steht, oder wie es ausgegangen ist“, sagte Oberstaatsanwalt Günther Feld. Die nach siebenstündigem Monolog garantiert ausführlichen Calmund-Schilderungen würden nun „in Ruhe und mit großer Sorgfalt“ ausgewertet.
Denn es handelt sich um kein Bagatellverfahren. Der mögliche Strafrahmen bewege sich laut Feld für den Fall einer Verurteilung wegen Untreue in einem besonders schweren Fall zwischen sechs Monaten und zehn Jahren. Denn auch diese Linie verfolgt die Staatsanwaltschaft weiter: Es geht um den Verbleib einer Summe von 580 000 Euro, die Calmund in bar dem Spielerberater Volker Graul überlassen hat. Eine Zahlung, die zunächst nicht in den Büchern der Bayer-04-Fußball-GmbH aufgetaucht war.
Die Ermittlungen dauern derweil an, weitere Vernehmungen stehen bevor. Wer jedoch befragt werden soll, wollte Feld nicht sagen. Nach Informationen des „Kölner Stadt-Anzeiger“ soll Graul als nächste der in den Fall verwickelten Personen vernommen werden. Der Spielerberater, der den Erhalt der 580 000 Euro quittiert hat, wird wie Calmund von den Fahndern als Beschuldigter befragt. Er wird verdächtigt, Beihilfe zur Veruntreuung geleistet zu haben. Als Zeuge soll zudem auch noch der Bielefelder Ex-Profi Ansgar Brinkmann gehört werden, der zunächst fälschlicherweise in Verdacht geraten war, den Ausgang des Spieles Bayer 04 gegen Bielefeld (3:1) beeinflusst zu haben.
Im Mittelpunkt der Kölner Ermittlungen stehen aktuell die Untreuevorwürfe gegen Calmund. Ob es in diesem Zusammenhang zu Spielmanipulationen gekommen ist, wird quasi nebenbei ebenfalls weiterhin geprüft. Im Beisein von Bayer-Verantwortlichen soll Calmund die Manipulationen mehrfach angedeutet haben. Er erinnere sich an diese Situationen, soll der Ex-Manager gestern eingeräumt haben. Aber die Aussagen seien nicht Ernst gewesen, er habe nur einen Spaß machen wollen. Ein zwölfseitiges Dossier von Bayer-Anwalt Walther Graf, in dem Calmunds Aussagen penibel dokumentiert sind, liest sich jedoch anders.
Suche nach dem Geld?
Bei der nun anstehenden Vernehmung von Volker Graul jedenfalls werden die Fahnder wissen wollen, an welche Spielerberater das Calmund-Geld letztlich geflossen ist. Calmund-Anwalt Seitz teilte mit, sein Mandant habe bei der Vernehmung Beweise für die Optionsgeschäfte in Höhe von 580 000 Euro vorgelegt. Dabei seien auch die Namen der Spieler und der möglichen abgebenden Vereine genannt worden. Es handelt sich dabei um fünf Spieler, die aus Kroatien sowie aus Serbien und Montenegro stammen. Die Staatsanwaltschaft wollte sich dazu gestern nicht äußern. Dem Vernehmen nach sollen die genannten Spieler oder Berater, wenn überhaupt, erst nach der Graul-Befragung vernommen werden. Seitz meinte auch: „Die Manipulations-Vorwürfe sind eine Luftblase. Schließlich sind Spieler betroffen, die zu den Freunden von Reiner Calmund zählen.“
Bayer 04 hat sich bereits seit April 2004 auf eventuelle juristische Konsequenzen einer möglichen Schieberei eingestellt und Sponsoren bei Vertragsabschlüssen ein Sonderkündigungsrecht eingeräumt, wenn Bayer im Zusammenhang mit Manipulationsvorwürfen genannt würde. Der Verein soll sich nach Informationen des „Kölner Stadt-Anzeiger“ sogar dazu verpflichtet haben, den Sponsoren bereits gezahltes Geld verzinst zurückzuzahlen. Derart formulierte Verträge habe die Deutsche Fußball-Liga (DFL) im Rahmen des Lizenzierungsverfahrens nicht gekannt. „Das würde wohl auch einen Schritt zu weit gehen, wenn Vereine solche Dinge mitteilen müssten“, meinte Andreas Rettig, Mitglied des DFL-Vorstandes.
(KStA)