„Ich habe ein reines Gewissen“ Calmund-Interview

  • Handelsblatt: Herr Calmund, haben Sie sich in Ihrer Bayer-Zeit etwas zu Schulden kommen lassen?


    Reiner Calmund: Ich kann Ihnen hier und heute nur soviel sagen: Ich habe ein reines Gewissen!


    Haben Sie eine Erklärung dafür, wie es dann zu dem Verdacht der Spiel-Manipulation kommen konnte?


    Dazu darf ich an dieser Stelle wegen des laufenden Verfahrens nicht viel sagen, nicht zuletzt deshalb, weil es hier um meine Rente geht! Denn ich habe gegenüber Bayer 04 Leverkusen eine Verschwiegenheitspflicht, von der mich der Verein nur gegenüber eines vom Magazin „Spiegel“ übersandten Fragenkataloges befreit hat.


    Die Bielefelder Finanzbehörden sollen sich doch über die Summe gewundert haben . . .


    „Holzi“ (Bayer-Geschäftsführer Wolfgang Holzhäuser; Anmerkung der Redaktion) hat jedenfalls stets behauptet, die Ermittlungen kämen von der Steuerermittlung Bielefeld, die auf Unregelmäßigkeiten bei der Steuererklärung von Volker Graul gestoßen sei. Nach meiner Information hat Grauls Anwalt aber bewiesen, dass es derzeit kein Steuerermittlungsverfahren gibt. Lange Rede, kurzer Sinn: Die ganze Geschichte ist ganz sicher nicht auf dem Trapez, weil sich das Bielefelder Finanzamt um seine Steuern sorgt.


    Als Sie Bayer Leverkusen vor zwei Jahren verlassen haben, lautete die Sprachregelung „aus gesundheitlichen Gründen“. War das eine Notlüge?


    Das war keine Sprachregelung und schon gar keine Notlüge! Ich habe immer betont, dass ich nicht krank, aber eben einfach „platt“ war. So, wie auch schon im Jahr 2003. Zudem hatte ich die Möglichkeit, jährlich aus meinem Vertrag auszusteigen. Was damals allerdings zugegebenermaßen nicht auf den Tisch kam, war, dass ich gespürt habe, dass die Bataillone der Bayer AG nicht mehr so hinter mir standen, wie in den Jahren zuvor. Und als dann offensichtlich wurde, dass die sportlichen Ziele nicht mehr so leicht zu erreichen sein würden, da hat man sich wohl gedacht „Versuchen wir einen Neuanfang ohne Calli“. Wenn beim offiziellen Abschied nach 27 Jahren dann alle heulen, dann steht wohl auch einem abgebrühten Kerl wie mir ein wenig Wehmut zu.


    Hätten Sie sich jemals träumen lassen, dass Ihr Verhältnis zu Bayer so enden könnte?


    Zunächst soviel: In 27 Jahren kann nicht alles rund laufen. Unter dem Strich aber war die Bilanz so positiv, dass es unerklärlich ist, was nun geschieht. Manchmal werde ich wach – vorausgesetzt, ich konnte überhaupt schlafen – und frage mich in den ersten Sekunden nach dem Aufwachen, ob das nun hoffentlich nur ein Traum war oder doch Realität ist. Und dann wird einem schlagartig klar, dass das alles eben kein Traum ist.


    Wie denken Sie heute über Ihre Zeit bei Bayer?


    Das war eine schöne Zeit, die ich nicht missen möchte. Ich habe dem Verein viel zu verdanken. Ich hatte die totale Identifikation mit diesem Klub und habe ja auch mal gesagt, dass ich am Mittelkreis begraben werden möchte. Das aber ist natürlich vorbei, ich kann mir heute nicht mal mehr vorstellen, ins Stadion zu gehen. Das hat nichts mit den Mitarbeitern, der Mannschaft und vor allem mit den Fans zu tun, aber eben doch mit einigen Führungskräften. Eigentlich habe ich es immer mit dem alten Sprichwort gehalten, das besagt „Pack schlägt sich, Pack verträgt sich“. Das aber ist nach all dem, was in den letzten Wochen vorgefallen ist, nicht mehr möglich. Mit diesen Leuten möchte ich nichts mehr zu tun haben, das ist so sicher, wie das Amen in der Kirche.


    Für einen markigen Spruch waren Sie immer gut. Müssen Sie im Nachhinein erkennen, dass Sie sich mit dem selbst gewählten Image des „Schlitzohrs“ und des „Drecksacks“ geschadet haben?


    Nein, ich war immer authentisch. Aber das hat für mich keinen negativen Beigeschmack und man kann daraus ganz gewiss nicht folgern, dass ich etwas Unrechtes getan hätte. Ich lebe mein Leben, so wie ich es immer getan habe. Und daran ist nichts verkehrt. Trotzdem müssen wir abwarten, wie es weitergeht, welche Fragen der Staatsanwalt möglicherweise in Zukunft noch stellt.


    Wie sicher fühlen Sie sich denn jetzt?


    So sicher wie vorher auch. Ich wusste ja, dass ich mir nichts vorzuwerfen habe. Bei diesem Thema gibt es aber keinen Sieger, das ist mir auch klar. Und die anderen können mir das auch nie wieder gut machen, dafür ist zu viel Porzellan zerschlagen worden. Die Verantwortlichen werden aber irgendwann in den Spiegel schauen müssen.


    Mussten Sie im Alter von fast 60 Jahren neu lernen, wer ihre wirklichen Freunde sind?


    Im Fußball ist es eigentlich so, dass die, die dir im Erfolg jubelnd mit der Fahne hinterher laufen, beim Misserfolg dieselbe Fahne auf den Kopf hauen. Und wenn es gut läuft, passen deine Freunde nicht in einen Jumbo Jet, ist der Erfolg aber nicht da, dann bekommst du normalerweise nicht mal ein Gogomobil voll. Umso schöner ist es, dass ich jetzt, wo ich Freunde wirklich brauche, die Erfahrung gemacht habe, dass zwei Doppeldecker-Busse nicht reichen für die Menschen, die zu mir halten und mich unterstützen. Das ist schon ein großer Trost.


    Die Fragen stellte Andreas Kötter.


    Handelsblatt

    Im Übrigen bin ich der Meinung, daß wir Meister werden !!! -Irgendwann

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