Leverkusener Intrigenspiel

  • von Jörg Winterfeldt


    "Bei manchen Transfergeschäften ist es wie auf dem Fußballfeld. Wenn du zum Abschluß kommen willst, mußt du rein in den Strafraum. Selbst wenn die Gefahr besteht, daß sie dich umlegen."


    Jürgen von Einem, ehemaliger Sportbeauftragter der Bayer AG, in seinem Buch "Gefährlicher Strafraum - Die Geschichte eines Transfers"


    Der verkniffene Blick zählt zu seinen Merkmalen. Dann verengen sich die Augen von Wolfgang Holzhäuser zu schmalen Schlitzen hinter den randlosen, ovalen Brillengläsern, die Lippen preßt er zu einem Strich zusammen, die Mundwinkel läßt er hängen, als sollten sie vom Hemdkragen gestützt werden.


    Holzhäuser (56) lenkt als Geschäftsführer die Geschicke von Bayer Leverkusen. Am Samstag katapultierte sich seine Mannschaft nach durchwachsener Saison mit dem 5:1 (2:0) gegen den 1. FC Kaiserslautern in Reichweite der Qualifikationsplätze für die Europapokale. Die BayArena bebte unter der Euphorie der Fans, nur Holzhäuser bebte unter ihrem Zorn: "Reiner Calmund, Du bist der beste Mann" hallte es immer wieder durchs Rund, vor allem aber "Holzhäuser raus".


    Unter den Anhängern genoß der hessische Finanzmann Holzhäuser nie die Anerkennung, die dem rheinischen Original Calmund zuteil wurde. Das sorgte seit 1976 dafür, daß das fußballerische Schwergewicht sich von Köln in dessen Vorort auf der anderen Rheinseite verlagert hat: "Alles ist ein Kampf", pflegte Calmund zu sagen, "wenn jemand auf einem Stuhl sitzt, auf den wir wollen, dann haue ich den vom Stuhl eben runter."


    Doch die Situation für Holzhäuser ist besonders heikel geworden, seit sich der Eindruck aufdrängt, er stecke als Drahtzieher hinter den Untreue-Vorwürfen gegen Calmund. Der Kölner Staatsanwalt Norbert Reifferscheidt ermittelt, was mit 580 000 Euro passiert ist, die Calmund im Juni 2003 in drei Tranchen von Bayer-Konten bei der örtlichen Sparkasse in bar abholte und angeblich dem Borgholzhausener Spielervermittler Volker Graul übergab. Der will damit dem Klub Kaufoptionen an fünf Profis aus Serbien und Kroatien vermittelt und die Belege an Bayer weitergereicht haben. Holzhäuser behauptet, die Zahlungen seien "ohne Gegenleistung" gewesen, obwohl Calmund der Staatsanwaltschaft sogar noch zwei auf Graul ausgestellte Transfervollmachten vorlegen konnte.


    Der Klub hat Indizien zusammen getragen, die die Vermutung nahelegen könnten, mit dem Geld seien Bayer-Spiele im Abstiegskampf der Saison 2002/2003 verschoben worden. Obwohl der Verein und vor allem Holzhäuser fleißig kooperierten, will die Beweiskette gegen Calmund partout nicht dichter werden, so daß der Leitende Oberstaatsanwalt Jürgen Kapischke der Kölner Tageszeitung "Express" sagte, es sei "zwar denkbar, daß Herr Calmund etwas großzügig mit dem Geld umgegangen ist, aber dafür, daß er in die eigene Tasche gewirtschaftet hat, gibt es bislang keine klaren Hinweise".


    Damit gerät die Affäre Calmund immer mehr zum Enthüllungskrimi über die Skrupellosigkeit auf dem internationalen Transfermarkt für Fußballprofis, auf dem sich angesichts der zu bewegenden Millionensummen auch Ganoven tummeln. Und sie rückt die Intrigen im Fußballverein Bayer Leverkusen ins Rampenlicht. "Bei dieser Geschichte wird es keine Gewinner geben", sagte Leverkusen Sportdirektor Rudi Völler "Sport Bild", "nur Verlierer.


    Bis zum Juni 2004 arbeiteten die Betriebswirte Holzhäuser und Calmund zusammen. Aber immer eher in Kohabitation als Kollaboration, obwohl Calmund seit 1996 daraufhin gewirkt hatte, den früheren Ligasekretär vom Deutschen Fußball-Bund loszueisen, um seine Insiderkenntnisse ab 1998 dann tatsächlich für Bayer nutzen zu können, und obwohl er sich 2002 dafür eingesetzt hatte, daß Holzhäusers Vertrag verlängert wurde, als der Bayer-Vorstandsvorsitzende Werner Wenning mit dem Chef seiner Fußballabteilung Kurt Vossen beschlossen hatte, den Kontrakt zu beenden. Dennoch wurde Calmund im Mai schriftlich mitgeteilt, er sei mit Wirkung vom 1. Juli 2002 "alleiniger Sprecher der Geschäftsführung". Auf eine Eintragung der Machtverteilung im Handelsregister, heißt es, werde verzichtet, um "eine Schwächung von Holzhäuser im Außenverhältnis" zu verhindern.


    Als Calmund nun als Beschuldigter die Akten unter dem Zeichen 115 JS 32/06 zu sehen bekam, war er "erschüttert, weil Holzhäuser seit 2001 Notizen für die Bayer-Revision" gemacht habe. Während Holzhäuser selbst, wenn auch nur indirekt bestreitet ("Das höre ich zum ersten Mal. Das ist absurd."), zürnt Calmund: "Ich habe die Stasi-Akte von Ulf Kirsten komplett gelesen - das war im Gegensatz zu den Ausführungen von Bayer wie Kindergeburtstag."


    Auffällig erscheint zudem der Eifer, der aus dem Klub an den Tag gelegt wurde, die Vorgänge öffentlich zu machen. Losgetreten wurde die Lawine durch das Gespräch eines Redakteurs vom "Spiegel", der reichhaltig aus internen Bayer-Papieren zitieren konnte, mit einem Bielefelder Ermittler im Januar. Zwei Tage bevor das Magazin im März mit der Geschichte auf den Markt kam, daß Calmund wegen der 580 000 Euro und nicht aus persönlichen Gründen bei Bayer ausgeschieden sei, gab Bayer eine Presseerklärung heraus, die den erstaunten Redaktionen, völlig ungewöhnlicherweise, schon mal vorab den Vorgang bestätigte. Später wurden die Sponsoren alarmiert: Ihnen wurde ein Sonderkündigungsrecht für den Fall eingeräumt, daß eine Manipulation der Partie Leverkusen gegen 1860 München im Jahre 2003 belegt werde. Juristen sind sich einig, daß die Werbepartner dann ohnehin hätten vom Vertrag zurücktreten können. Vorigen Mittwoch behauptete Holzhäuser im Berliner "Tagesspiegel", die Affäre sei auch öffentlich geworden, weil "die Steuerfahndung hinter Graul her gewesen" sei.


    Grauls Anwälte, Veith Wirth aus Münster und Detlev Binder aus Bielefeld, knöpfen sich inzwischen Holzhäuser vor. Freitag ließen sie ihn schon mit einer Unterlassungserklärung abmahnen, er dürfe seine Steuervorwürfe ebenso wenig wiederholen wie den Satz "Wir wissen nicht, wofür Volker Graul die 580 000 Euro erhalten hat". Wirth schreibt: "Sie haben eine Rechnung unseres Mandanten über genau diesen Betrag von 580 000 Euro akzeptiert."


    Aufgrund dieser habe Holzhäuser die Zahlung der Umsatzsteuer von 92 800 Euro in die Wege geleitet, so daß der Zweck, die Kaufoptionen, bekannt gewesen sei. Gegen Holzhäuser wollen Wirth und Binder Strafanzeige wegen Falschbeschuldigung, übler Nachrede, Verleumdung und Urkundenunterdrückung erstatten, weil der Bayer-Mann verschweige, die Optionsbelege "vernichtet" zu haben, die Graul für die 580 000 Euro abgeliefert haben will, da er sie angeblich "buchhalterisch" als unverwertbar einstufte. Holzhäuser bestreitet das nur indirekt: "Die Vorwürfe sind so absurd, daß ich sie gar nicht kommentiere."


    Seltsam sind auch die Vorgänge um die Zahlung von 350 000 Euro an Graul. Das Geld mußte sich der Ostwestfale in bar aus der Schweiz abholen, nachdem seine Steuerberater sich mit Bayer-Steuerspezialisten darüber verständigt hatten, wie die Zahlung der 580 000 Euro, die Graul nur weitergereicht haben will, steuerlich für ihn unproblematisch zu gestalten ist. Graul beruft sich seither auf eine Zahlungsverpflichtung von Bayer in Höhe von 700 000 Euro plus Umsatzsteuer.


    Dazu habe Bayer-Revisor Rainer Meyer Calmund im Haus des Bayer-Gönners Gerrit Niehaus in Naples/Florida angerufen und gebeten, den Betrag von 350 000 Euro "aus Zeitgründen nicht per Scheck oder Überweisung zu tätigen, sondern in Bargeld". Niehaus organisierte das Geschäft und teilte Calmund in einem Brief am 10. November 2004 mit, daß Holzhäuser sich dreimal bei ihm gemeldet habe, nachdem er die Rückzahlung der 350 000 Euro bei Calmund angemahnt hätte. Er habe versichert, "daß Bayer für den Betrag geradestehen würde".


    Noch mehr staunte Niehaus, der das auch aussagen will, als später ein von Bayer gesandter Anwalt ihm anbot, "mir einen größeren Geldbetrag zahlen zu können, wenn ich ihm etwas über schwarze Konten sagen könnte".


    Letztlich wurden die 350 000 Euro, die einem Jahresgehalt Calmunds entsprachen, von der Abfindungszahlung Bayers an Calmund einbehalten. Graul und Calmund vereinbarten, sie als Darlehen zu betrachten, bis Graul den offenen Betrag von Bayer bekomme. "Offensichtlich hat man nicht erwartet, daß Graul die Summe ordnungsgemäß verbucht und in den Schriftverkehr mit Bayer einführt", sagt Grauls Anwalt Wirth, "ob das jemanden erschreckt hat, kann man nur vermuten."


    Die Ermittlungen legen auch offen, daß der Erwerb von Kaufoptionen an Fußballprofis durchaus eine gängige Zockerei im Spekulationsgeschäft Profifußball darstellt. Nicht nur Bayer sichert sich so regelmäßig die Möglichkeit, Spieler zu kaufen. Immer wieder läßt man sie trotz der Zahlung hoher Geldbeträge auch verfallen: So verzichtete einst Klaus Toppmöller darauf, den Stürmer Cacau aus Nürnberg zu verpflichten, obwohl Holzhäuser einem Kölner Spielerberater 145 000 Euro überwiesen hatte. Auf den inzwischen in Hamburg kickenden David Jarolim oder den Mainzer Benjamin Auer hatte Calmund sich mal ein Vorkaufsrecht einräumen lassen, aber von der Verpflichtung Abstand genommen, als etwa Auer sich schwer verletzte.


    Auch daß ein durchaus in seiner Seriosität umstrittener Vermittler wie Graul in Geschäfte einbezogen wird, gilt als gängige Praxis, weil ein Topklub wie Leverkusen ein Interesse haben kann, nicht direkt als Interessent aufzutreten, aus berechtigter Furcht, das könnte den Preis gleich in die Höhe treiben. Um Geschäfte über serbische und kroatische Spieler einzufädeln muß sich Graul zuweilen mit zwielichtigen Mittelsmännern einlassen und von bewaffneten Begleitern beschützt reisen. Als es um die Übergabe der Teilbeträge der 580 000 Euro ging, habe er die Geschäftspartner "natürlich" nach Deutschland einbestellt: "Glauben Sie, ich bin lebensmüde", empört sich Graul, "und fahre mit soviel Bargeld auf den Balkan."


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    Im Übrigen bin ich der Meinung, daß wir Meister werden !!! -Irgendwann