Leverkusen stürmt auf Uefa-Cup-Platz

  • Quelle: http://www.welt.de/data/2006/04/18/875101.html


    von Björn Lindert


    Leverkusen - Beim 60. Geburtstag seiner Mutter stand nur Simon Rolfes im Mittelpunkt. Immer wieder mußte der prominente Sohn gestern der Verwandtschaft in allen Einzelheiten schildern, wie er am Samstag die beiden Treffer zum 2:1 (1:0) für Bayer Leverkusen gegen Borussia Mönchengladbach erzielt hatte. "Es war ein super Gefühl, mein erster Doppelpack im Profifußball. Dadurch sind wir jetzt Fünfter, den Platz wollen wir unbedingt verteidigen", sagte Rolfes, dessen Euphorie symbolisch für die derzeitige Stimmungslage bei Bayer steht.


    Leverkusen ist das zweitbeste Team der Rückrunde und hat sich durch den furiosen Zwischenspurt mit vier Siegen in Folge auf einen Uefa-Cup-Platz vorgeschoben. "Wir alle hätten natürlich nichts dagegen, wenn die Saison jetzt zu Ende wäre. Dann hätten wir unser Ziel erreicht", sagt Jens Nowotny, der sich mit dem Erreichen des internationalen Geschäfts im Sommer von Bayer Leverkusen verabschieden möchte. Auch wenn die Fans Nowotny wieder in ihr Herz geschlossen haben, ist es eher unwahrscheinlich, daß der Abwehrchef seine Vertragskündigung, die ihm 4,7 Millionen Euro Abfindung einbringt, doch wieder zurücknimmt. Das Arbeitsverhältnis zwischen dem ehemaligen Kapitän und dem Klub scheint durch die zwei gerichtlichen Auseinandersetzungen im vergangenen Herbst zu nachhaltig zerstört worden zu sein. "Es gibt keinen neuen Stand, wir schauen mal", sagt Nowotny vor einem für diese Woche anberaumten Gespräch mit Sportchef Rudi Völler.


    Das Theater um Nowotny war nur ein Unruheherd im Leverkusener Umfeld in den vergangenen Wochen - die Finanzaffäre um Reiner Calmund, die immer mehr zur öffentlichen Fehde zwischen dem früheren Manager und seinem Nachfolger Wolfgang Holzhäuser eskaliert ist, der andere. "Holzhäuser-raus"-Rufe einiger Bayer-Anhänger verhageltem dem Geschäftsführer als einzigem in Leverkusen die Laune nach dem Sieg über Mönchengladbach. Bemerkenswert ist aber eines: Je mehr Negativschlagzeilen es rund um Bayer 04 gab, desto besser lief es für das Team von Trainer Michael Skibbe sportlich. "Ich find es klasse, daß die Mannschaft da nie nach Ausreden gesucht hat. Sie läßt sich nicht ablenken", sagt der Trainer.


    Die von ihm selbst als "Chance" bezeichnete Aufgabe in Leverkusen scheint Skibbe trotz anfänglicher Probleme und Skepsis an seinen Fähigkeiten zu nutzen. "Es hat mir vom ersten Tag an Spaß gemacht. Mit dieser Mannschaft zu arbeiten, ist einfach klasse", sagt der 40jährige, der sich bereits viel Kritik gefallen lassen mußte. Die Mischung zwischen Alt und Jung paßt, die Stimmung ist so gut wie lange nicht. Dazu hat Skibbes Systemwechsel auf einen zentralen Stürmer funktioniert. Dimitar Berbatow (16 Tore) ist immer gefährlich und wird deshalb durch Scouts von europäischen Spitzenklubs beobachtet. Dieses Wochenende reihte sich Arsenal London in die Liste potentieller Interessenten ein, die sich auch die festgeschriebene Ablöse in Höhe von 16 Millionen Euro leisten könnten.


    Das Erreichen des Uefa-Cups würde Bayer-Sportchef Völler helfen, den Bulgaren wenigstens noch ein Jahr zu halten. Doch das ist angesichts des Restprogramms noch fraglich. An den nächsten zwei Spieltagen stehen Partien in Hamburg und Berlin an. "Da müssen wir auf jeden Fall wieder besser spielen als über weite Strecken gegen Gladbach, sonst kriegen wir noch Probleme", warnt Völler.