VON CHRISTIAN OEYNHAUSEN, 17.04.06, 20:06h
Gegen zehn Gladbacher gerät Bayer 04 in große Schwierigkeiten.
Leverkusen - Das ist ja auch ein Zeichen der Zeit im modernen Bundesligafußball: Der Spieler, den der TV-Rechteinhaber zum Mann der Partie erkoren hat, erhält ein Computerspiel. Wo die Trainer sich doch manchmal wünschen, ihre Jungs hätten noch was anderes im Kopf außer Autos und Playstation. Man könnte dem besten Mann ja auch ein Buch schenken, etwas Berufsbezogenes zum Beispiel. Es herrscht ja im WM-Jahr kein Mangel an Neuerscheinungen. Simon Rolfes (24) zum Beispiel, Leverkusens Preisträger am Samstag, gibt als Hobby sogar Lesen an. Natürlich erhielt er auch das Computerspiel in die Hand gedrückt, er hatte mit seinem ersten Doppelpack überhaupt im Profifußball einen immens wichtigen Sieg für Leverkusen sichergestellt. Rolfes fuhr fröhlich zum 60. Geburtstag seiner Mutter Helena: „Ich hab was mitzubringen. Das passt gut.“
Mit dem 2:1 über Borussia Mönchengladbach ist aus der vagen Hoffnung, noch den Uefa-Cup zu erreichen, eine echte Möglichkeit geworden, auch wenn das Restprogramm mit drei Auswärtsspielen schwer ist. Es war eine Begegnung, die Leverkusen viele Ansätze bot, in alte Probleme zurückzufallen: Ein Gegner, der desolat begann und Leverkusen die Führung durch Rolfes ersten Treffer fast schenkte, dann ein Platzverweis gegen den Gladbacher Niels Oude Kamphuis, als die Aufgabe für Leverkusen schon wie gelöst aussah. Prompt ließ Bayer 04 nach und brachte sich in Gefahr. Trainer Michael Skibbe konnte hinterher erleichtert von einem „Arbeitssieg“ sprechen. Das ist auch wieder ein Fortschritt: Arbeit und Fußball haben sie sonst kaum zusammengebracht in dieser Saison. „Wir haben das Engagement der ersten Viertelstunde nicht mehr wiedergefunden. Aber wir haben wenigstens geduldig weitergespielt und sind nicht ins offene Messer gelaufen“, sagte Rolfes, der in der 84. Minute nach einem Getümmel im Strafraum zum 2:1 traf. „Er hat das Tempo in der Bundesliga gut angenommen“, lobte Trainer Michael Skibbe den vor der Saison aus Aachen geholten Mittelfeldspieler und wies gleichen auf Rolfes Manko hin: „Etwas mehr Durchsetzungsvermögen im Zweikampf und Athletik würden sein gutes fußballerisches Vermögen gut ergänzen.“ In Leverkusen sind sie besonders froh, wenn Transfers aus der Nach-Calmund-Ära gut funktionieren. „Er interpretiert diese Position klasse“, sagt Manager Michael Reschke, „wir haben erwartet, dass er ein richtig guter Bundesligaspieler wird, und das ist er jetzt. Mindestens.“
Die Gladbacher haderten unterdessen ein wenig mit Schiedsrichter Babak Rafati aus Hannover. Für Jens Nowotnys Grätsche gegen Eugen Polanski (24.) hätten die Gäste gern eine Rote Karte gesehen. Polanski musste ausgewechselt werden, der 19-Jährige musste in die Klinik gebracht werden. Eine Diagnose steht noch aus, einstweilen wurde der Knöchel eingegipst. Nowotny erhielt nur die Gelbe Karte.
Den Hauch von großem Fußball bekam das mittelmäßige Spiel hauptsächlich von den Tribünengästen verliehen. Ein kräftiger graumelierter Mann aus England zum Beispiel war gekommen. Steve Rowley trägt den Titel „Chefscout von Arsenal London“, der 48-Jährige war im Auftrag von Coach Arsene Wenger gekommen, um Dimitar Berbatow zu beobachten. Ein paar feine Dribblings und der Pfostenschuss vor dem 1:0 - mehr konnte der Bulgare nicht zeigen. Aber Arsenal ist selbst noch in der Abtastphase. Bei Jens Lehmanns Klubs dreht sich alles um die Frage: Bleibt oder geht Thierry Henry?
Für 16 Millionen Euro könnte Berbatow im Sommer gehen, zu wem auch immer. Doch Bayer 04 hat die Hoffnung nicht aufgegeben, den 25-Jährigen noch ein Jahr zu halten. Die Argumentation geht so: Mit Bayer 04 im internationalen Geschäft und an der Seite des spielstarken Neuzugangs Stephan Kießling kann sich der Bulgare für die allerbesten Adressen noch interessanter machen. Im nächsten Jahr belastet er wegen des EU-Beitritts Bulgariens nicht mehr das Kontingent der Nicht-EU-Ausländer und hätte noch mehr Auswahl.