"Weltmeister bleibst du immer"

  • "Als Spieler spürst du keinen Druck"

    Doppelinterview mit Rudi Völler und Michael Skibbe, Teil 1.
    BayArena Magazin: In rund 60 Tagen beginnt die WM in Deutschland. Herr Völler, Sie haben als Spieler an drei Weltmeisterschaften teilgenommen. Warum ist es das Größte, bei einem solchen Turnier dabei zu sein?
    Rudi Völler: Allein schon die Tatsache, dass eine WM nur alle vier Jahre stattfindet, macht sie zu etwas besonderem. Wenn man dann noch Weltmeister wird, bleibt man das für den Rest seines Lebens. Das ist nicht so wie bei anderen Trophäen, die man als Fußballer gewinnen kann. Klar, Pokalsieger und Meister zu werden, ist auch toll, aber du bist es nur für einen kurzen Moment. Weltmeister dagegen wirst du immer sein. Niemand spricht ja von einem als Ex-Weltmeister.
    BayArena Magazin: Wenn Sie Ihre drei Weltmeisterschaften 1986, 1990 und 1994 Revue passieren lassen, was ist als das jeweils Besondere in Erinnerung?
    Völler: 1986 war meine erste WM-Teilnahme, noch als Spieler von Werder Bremen. Schon weil es eine Premiere für mich war, war es etwas Besonderes. Wir sind ja weiß Gott nicht als Favorit in dieses Turnier gegangen und hatten eigentlich auch keine so starke Mannschaft. Trotzdem sind wir ins Finale gekommen. Es war schön, aber die WM vier Jahre später in Italien hat natürlich alles getoppt. Die Mannschaft war einfach viel besser, viel weiter als 1986. Die Topspieler waren auf dem Zenit ihres Könnens. Wir waren einfach gut. Wenn ich diese WM mit den Titeln 1954 und 1974 vergleiche, dann war’s ja 54 und 74 so, dass Deutschland das Finale jeweils überraschend gewonnen hat.


    1990 dagegen waren wir der Favorit gegen Argentinien und im Endspiel dann ja auch klar überlegen. 1994 war der Druck für Berti Vogts, der damals erstmals als Cheftrainer bei einer WM verantwortlich war, natürlich unheimlich groß. Deutschland hatte zuvor drei Mal in Folge im Finale gestanden. Die Leute erwarten ja dann auf einmal, dass du immer ins Endspiel kommst. Aber im Grunde waren wir 94 gar nicht so schlecht. Ich würde sogar sagen, wir waren nicht schlechter als 1990. Immerhin hatten wir den jungen Effenberg, den jungen Sammer. Gut, dafür waren vielleicht einige andere Spieler schon über ihren Zenit hinaus. Aber trotzdem hätten wir auch da mit ein bisschen mehr Glück mehr erreichen können.


    BayArena Magazin: Bei Ihrer vierten Weltmeisterschaft vor vier Jahren sind Sie als Teamchef Vizeweltmeister geworden. Wie sehr unterschiedlich erlebt man eine WM in diesen beiden Rollen?
    Völler: Gewaltig. Als Spieler spürst du ja keinen Druck. Da bereitet man sich optimal vor auf die WM, man will ja schließlich erfolgreich sein. Aber Druck empfindest du nicht. Als Trainer aber bist du vom ersten bis zum letzten Tag für alles verantwortlich.


    BayArena Magazin: Herr Skibbe, mit welchem Gefühl sind Sie 2002 nach Japan und Südkorea gereist?
    Michael Skibbe: Wir sind damals deutlich gestärkt aus den erfolgreichen Relegationsspielen gegen die Ukraine zur WM gefahren. Uns war klar, dass wir eine unangenehme Gruppe hatten. Irland hatte die Holländer in der Qualifikation rausgeschmissen, Kamerun war der amtierende Afrika-Meister. Nachdem wir diese Gruppe überstanden hatten, entstand eine solche Eigendynamik in der Mannschaft, die sich dann auch wirklich stark genug fühlte, jeden zu schlagen. Auslöser war sicher der 2:0-Sieg gegen Kamerun in Unterzahl.


    BayArena Magazin: Wie war das nach dem Endspiel gegen Brasilien – was überwog da bei Ihnen, Herr Völler, die Enttäuschung über das verlorene Finale oder die Freude über die beste Turnierleistung Ihrer Mannschaft?
    Völler: Die Enttäuschung hielt sich schon in Grenzen. Natürlich haben wir den Spielern damals vermittelt, dass man als Profi normalerweise nur einmal in seinem Leben in einem WM-Endspiel steht. Und man darf sich nicht damit zufrieden geben, so weit gekommen zu sein, sondern dann setzt man natürlich auch alles daran, zu gewinnen. Das hat die Mannschaft ja auch toll umgesetzt. Wir haben unser bestes Spiel gemacht bei der WM, aber wir hatten ein Problem: Unser 1:0-Torschütze Michael Ballack war nicht mehr dabei (Ballack hatte jeweils das 1:0 im Viertelfinale gegen die USA und im Halbfinale gegen Südkorea erzielt, konnte im Finale wegen einer Gelbsperre nicht mitwirken, die Red.).


    Da gibt’s auf der Welt keinen anderen, der so entscheidende Tore schießt. Wenn du in so einem Finale in Führung gehst, dann kannst du auch Weltmeister werden. Wenn du aber gegen Brasilien eins fängst und dann öffnen musst, dann kriegst du eben schnell auch das zweite Tor, und dann ist es natürlich vorbei.


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