"Ich würde auch als Nummer 20 zur WM fahren"

  • Verteidiger Jens Nowotny (32) über seine Ambitionen in der Nationalmannschaft und die Verhandlungen mit Leverkusen


    von Björn Lindert


    Leverkusen - Für Jens Nowotny könnte es sportlich kaum besser laufen. Nach Leverkusens 2:0 (1:0) gegen den Hamburger SV strebt er mit Bayer die Qualifikation für den Uefa-Cup an. Daneben hat Bundestrainer Jürgen Klinsmann den 32jährigen Abwehrspieler zum heute beginnenden Fitneßtest nach Düsseldorf eingeladen. WELT-Mitarbeiter Björn Lindert sprach mit Nowotny.


    DIE WELT: Herr Nowotny, wissen Sie, was Sie beim Fitneßtest der Nationalmannschaft erwartet?


    Jens Nowotny: Ich habe schon mit einigen Kollegen gescherzt. Wahrscheinlich Liegestütze oder Klimmzüge. Genau weiß ich nur von Sprint- und Laktattests, aber auch alles andere werde ich schon hinkriegen.


    WELT: Was hat Bundestrainer Jürgen Klinsmann zu Ihnen gesagt, als er Sie eingeladen hat?


    Nowotny: Daß er mich gern in Düsseldorf dabeihätte, daß ich weiter beobachtet werde und daß ich weiter Gas geben und gute Leistungen bringen soll. Dann besteht sicher noch eine Chance für mich, bei der WM dabeizusein. Aber er hat zunächst mal keine großen Hoffnungen geweckt, sondern es nur sachlich dargelegt.


    WELT: Was würde Ihnen die Teilnahme an der WM in Deutschland bedeuten?


    Nowotny: Das wäre natürlich schon ein Traum, der da in Erfüllung gehen würde. Ich hab es immer gehofft. Und nun bin ich zumindest schon mal beim Fitneßtest dabei. Das ist schon ein Erfolg. Auf diesen Schritt sind meine Familie und ich sehr stolz. Denn es liegt eine schwere Zeit hinter uns mit all meinen Verletzungen (u.a. vier Kreuzbandrisse - d.R.).


    WELT: Wie könnten Sie der wackeligen Abwehr helfen?


    Nowotny: Ich denke, daß ich sehr viel Erfahrung habe, oft großem Druck standgehalten habe, in Länderspielen genauso wie in der Champions League. Ob das jetzt ausreicht, der Nationalmannschaft zu helfen, das muß Jürgen Klinsmann entscheiden.


    WELT: Halten Sie sich für den richtigen Mann, junge Abwehrspieler zu führen?


    Nowotny: Das wäre dann ja erst der zweite Schritt. Erst mal geht's jetzt darum, beim Fitneßtest zu sehen, wo ich im Vergleich zu anderen stehe. Mal sehen, wo noch etwas fehlt und wo ich schon auf Topniveau bin. Sollte ich dann bei der WM dabeisein, dann gibt es sicher Möglichkeiten, wie ich helfen kann. Aber das müssen andere Leute beurteilen.


    WELT: Hatten Sie nach Ihrem bislang letzten Spiel für Deutschland im Juni 2004 auch noch Kontakt zu den Kollegen in der Nationalmannschaft?


    Nowotny: Im Prinzip nur, wenn wir gegeneinander gespielt haben. Sonst nicht, auch nicht telefonisch.


    WELT: Würden Sie auch als Nummer 15, 16 oder 17 mit zur WM fahren?


    Nowotny: Auch als Nummer 18, 19 oder 20 - völlig egal. Hauptsache ich bin dabei. Aber wer dann dabei ist, der will natürlich auch spielen - ohne eine Forderung zu stellen, aber das hat jeder Fußballspieler natürlich im Blut.


    WELT: Was trauen Sie der deutschen Mannschaft zu?


    Nowotny: Im eigenen Land ist immer alles möglich. Damit meine ich auch, daß es möglich ist, Weltmeister zu werden. In den K.o.-Spielen können wir auch mal über uns hinauswachsen. Auch wenn viele skeptisch sind und meinen, daß andere besseren Fußball spielen, muß ich sagen, daß das über einmal 90 Minuten relativ wenig zu sagen hat. Die Tagesform ist ganz wichtig. Vielleicht hat mal einer der Gegner schlecht geschlafen oder der Torhüter guckt in die Sonne, wenn der Ball aufs Tor kommt. Der Glücksfaktor ist eben im Fußball enorm hoch.


    WELT: Bayer ist die beste Rückrundenmannschaft der Bundesliga. Liegt das daran, daß Sie wieder dabei sind oder profitieren Sie davon, daß Ihre Mannschaft derzeit so erfolgreich ist?


    Nowotny: Beides, das eine beinhaltet das andere. Im Moment paßt es einfach bei uns, jeder erfüllt seine Aufgabe sehr diszipliniert. Jetzt geht's nur noch darum, den Uefa-Cup-Platz zu verteidigen


    WELT: Bis Mitte der Woche müssen Sie sich entscheiden, ob Sie auch nächste Saison in Leverkusen spielen wollen. Ihr Sportchef Rudi Völler ist sehr optimistisch, daß Sie bleiben.


    Nowotny: Das sind Gefühlssachen vom Rudi Völler. In seine Gefühle kann ich mich nicht einmischen. Wir haben ausgemacht, daß ich mich bis Mitte der Woche entscheide. Das ist auch Wunsch des Vereins, damit sich der Klub auf dem Markt umschauen kann, falls die Entscheidung negativ ausfällt.


    WELT: Woran hapert es denn noch?


    Nowotny: Es gibt so viele Dinge, die da eine Rolle spielen. Auch der Gedanke, ob vielleicht jetzt genau der richtige Moment gekommen ist, sich noch einmal neu zu orientieren. Da sollte ich nichts überstürzen.


    Artikel erschienen am Mo, 24. April 2006