Nationalelf absolviert WM-Leistungstest mit Bayers Routinier – storniert der 32-Jährige seinen Urlaub?
Wahrscheinlich weiß der Deutsche Fußball-Bund (DFB) noch gar nicht, was Jürgen Klinsmann ihm da schon wieder eingebrockt hat. Es ist gut möglich, dass bald außerplanmäßige Kosten auf den DFB zukommen. Bei Jens Nowotny muss man dies immer in Betracht ziehen. Der DFB sollte sich mal bei Bayer Leverkusen erkundigen. Notwotny hat seinen Arbeitgeber zuletzt mit allerlei finanziellen Forderungen traktiert, und möglicherweise droht das auch dem Deutschen Fußball-Bund. Nowotny hat nämlich für den Sommer schon seinen Urlaub gebucht, aber, sagt Nowotny, „den kann man auch ganz schnell wieder absagen“. Die Frage ist nur: Wer zahlt dann die Stornokosten?
Nach dem Ursacherprinzip müsste eigentlich der DFB die Rechnung übernehmen. Denn wenn Nowotny im Sommer seinen Urlaub storniert, dann nur, um im Auftrag des deutschen Fußballs an der Weltmeisterschaft teilzunehmen. Vor wenigen Wochen hätte niemand mit dieser Variante gerechnet, inzwischen muss der 32-Jährige als ernsthafter Kandidat für den deutschen WM-Kader gelten. Nowotny nahm gestern am Fitnesstest der deutschen Nationalmannschaft in Düsseldorf teil. Und während Bundestrainer Jürgen Klinsmann eine Rückkehr des Münchners Mehmet Scholl erneut ausschloss, äußerte er sich zu Nowotnys WM-Chancen überaus positiv: „Das ist ein klares Signal, dass er es schaffen kann.“
Für Nowotny, der einmal als Verheißung auf den Beginn der fußballerischen Moderne in Deutschland galt, wäre es die erste WM-Teilnahme überhaupt. 1998 hatte er auf seiner Position noch Olaf Thon und den ewigen Libero Lothar Matthäus vor sich. 2002, als er Matthäus endlich abgelöst und neuer Abwehrchef der deutschen Mannschaft war, zog er sich kurz vor dem Turnier einen Kreuzbandriss zu. Seitdem wird Nowotny immer wieder von Verletzungen verfolgt, gerade erst hat er sich nach seinem vierten Kreuzbandriss in Leverkusens Bundesliga-Mannschaft zurückgekämpft.
„Jens steht bei uns schon länger unter Beobachtung. In der Rückrunde spielt er konstant auf hohem Niveau“, sagte Klinsmann vor dem Fitnesstest. „Wir sind neugierig, wie er sich körperlich präsentiert und ob er die hohe Intensität aufbringen kann.“ An Nowotnys körperlichem Zustand waren zuletzt – trotz guter Kritiken – Zweifel aufgekommen. Gegen den Bremer Tim Borowski und den Gladbacher Eugen Polanski hatte er sich zwei üble Fouls geleistet, nicht aus Bösartigkeit, sondern eher, weil ihm das koordinative Vermögen und die alte Handlungsschnelligkeit abhanden gekommen sind. „Das Spiel ist körperbetonter geworden“, sagt Nowotny dazu. „Wenn man sich behaupten will, kann das auch schon mal eine Verletzung zur Folge haben.“
Oliver Bierhoff, der Manager der Nationalmannschaft, hält Nowotnys Fitnessdaten für „besonders wichtig“. Viermal hat Klinsmann die Nationalspieler seit seinem Amtsantritt zum Fitnesstest gebeten, der Leverkusener aber nimmt in Düsseldorf zum ersten Mal an dieser Datenerhebung teil. Tim Meyer, der Arzt der Nationalmannschaft, sagt zwar, dass es auch für Nowotny Vergleichswerte gebe, doch die sind zum Teil schon etliche Jahre alt. „In der Bundesliga habe ich festgestellt, dass ich gut mithalten kann“, sagt Nowotny.
Unabhängig von seinem Fitnesszustand könnte der Leverkusener eine Qualität in die deutsche Innenverteidigung bringen, die zuletzt etwas unterentwickelt war. „Für die Mannschaft ist seine Ruhe ganz wichtig“, sagt Bierhoff. Drei Kaderplätze für die Innenverteidigung sind so gut wie vergeben, um den letzten konkurriert Nowotny (45 Länderspiele) mit Lukas Sinkiewicz (1. FC Köln, drei Länderspiele) und Manuel Friedrich (Mainz 05, kein Länderspiel). „Es ist wichtig, eine gesunde Mischung aus jungen und erfahrenen Spielern zu finden“, sagt Jürgen Klinsmann. Für Jens Nowotny muss sich das wie ein Versprechen anhören.