VON JAN CHRISTIAN MÜLLER
Bayer Leverkusen trägt schwer am Erbe von Reiner Calmund. Dass knapp zwölf Millionen Dollar (die sich in den Büchern nicht finden lassen, wohl aber auf südamerikanischen Bankkonten) nachträglich versteuert werden, war im Konzern-Klub schon länger bekannt. Die Aufregung, die dort im Mai 2004 hinter verschlossenen Türen geherrscht haben muss, als die mindestens fragwürdige Zahlungsakrobatik der sportlich erfolgreichsten Ära der Bayer-Tochter ruchbar wurde, erreicht die Öffentlichkeit mit zwei Jahren Verspätung. So ist das in solch unangenehmen Fällen meist. Ob bei illegalen Steuersparmodellen in Frankfurt, Scheinverträgen in Kaiserslautern, schwarzer Kasse in Bremen, dubiosen Geheimkontrakten (mit Kirch, Deisler, Kehl) in München, finanziell hanebüchenen Drahtseilakten in Dortmund oder jetzt in Leverkusen, die Wahrheit kommt - wenn überhaupt - nur gaaanz langsam zum Vorschein: "Wenn der Schnee geschmolzen ist, siehst du, wo die Kacke liegt", pflegt Rudi Assauer in seiner unnachahmlichen Art gern pointiert zu sagen. Der Mann hat völlig Recht.
Dazu passt, dass gestern Jens Nowotny erwartungsgemäß seinen mit 4,7 Millionen Euro angenehm gepamperten Abschied aus Leverkusen angekündigt hat. Dass der alternde Abwehrspieler geht, mag sportlich ein Rückschlag sein. Mit Nowotny verlässt den Klub allerdings zur rechten Zeit eine Symbolfigur des unsäglichen Finanzgebarens Calmunds, der die Spieler geradezu verführte, den gierigen Schlund nicht voll genug bekommen zu können.
Der einstige Kaiserslauterer Aufsichtsratschef Robert Wieschemann hatte anlässlich des Strafverfahrens wegen Steuerhinterziehung gegen ihn und Ex-FCK-Boss Jürgen Friedrich durchblicken lassen, dass es in der Fußball-Bundesliga üblich sei, in gesetzlichen Grauzonen zu wirtschaften. Fußballspieler werden gehandelt wie Gebrauchtwagen. Es darf niemanden verwundern, wenn auch zukünftig noch Geld bar Kralle die Seite wechselt.