Undurchsichtige Geldflüsse nach Südamerika belasten Bayer Leverkusen
von Jens Bierschwale und Björn Lindert
Leverkusen - Der Termin der Hauptversammlung hätte kaum unpassender sein können. Wenn die Aktionäre der Bayer-AG heute im schmucken Congress-Centrum der Messe Köln-Deutz ihr jährliches Treffen veranstalten, wird ihnen Konzernchef Werner Wenning zwar von neuen Rekordzahlen berichten können, aber nur wenig beitragen zur Bereinigung des Imageschadens, den das sportliche Aushängeschild dem Chemieriesen zuletzt eingebrockt hat.
Bayer 04 Leverkusen, Werksverein und Fußball-Bundesligaklub, hat seit Anfang März in unschöner Regelmäßigkeit Negativ-Schlagzeilen verursacht, die seit geraumer Zeit auch den Vorstand des Konzerns beschäftigen. Gestern wurde bekannt, daß der kriselnde Klub vor knapp zwei Jahren mit einer Selbstanzeige beim Finanzamt auf nicht nachvollziehbare Geldflüsse nach Südamerika in Höhe von 11,85 Millionen Dollar (rund 9,53 Millionen Euro) reagiert hat. Einen entsprechenden Bericht des "Kölner Stadtanzeigers" bestätigte Geschäftsführer Wolfgang Holzhäuser: "Das haben wir vorsorglich gemacht", sagte er.
Die ominöse Zahlung wurde intern offenbar dem einflußreichen Spielerberater Juan Figer aus Uruguay zugeordnet, der an zahlreichen Transfers wie etwa denen von Zé Roberto, Franca, Robson Ponte, Juan und Paulo Rink nach Leverkusen beteiligt war. Trotz aufwendiger Recherchen habe man die vorliegenden Rechnungen aber nicht eindeutig zuteilen können und sich vorsorglich entschlossen, sie zu versteuern", sagte Holzhäuser. Nach der Selbstanzeige und einer Steuernachzahlung, die nach Informationen der WELT etwa zwei Millionen Euro betrag haben soll, droht der Bayer Leverkusen Fußball-GmbH keine weitere strafrechtliche Verfolgung. Das Bild, das der Verein dieser Tage von sich abgibt, ist dennoch desaströs.
Nach den Querelen um den ehemaligen Manager Reiner Calmund, gegen den die Staatsanwaltschaft Köln wegen des Verdachts auf Veruntreuung von 580 000 Euro ermittelt, kommt Leverkusen immer mehr in den Ruf, ein Skandalklub zu sein. Der Trend hat die Verantwortlichen alarmiert. "Das ganze Thema ist schlichtweg nervend und alles andere als vergnügungssteuerpflichtig", sagte Bayers Sportbeauftragter Meinolf Sprink gestern der WELT. "Es tut weh." Federführende Kraft bei den im Fokus stehenden Südamerika-Transfers sei immer Reiner Calmund gewesen. "Da sind Forderungen entstanden, die wir uns nicht erklären können und bei denen wir befürchten mußten, daß die Steuerbehörden sie nicht positiv bewerten", sagte Sprink. Die Selbstanzeige beim Finanzamt Leverkusen erfolgte schließlich am 18. Mai 2004, etwa drei Wochen vor der Beurlaubung von Calmund.
Die zeitnahe Verquickung wirft den Verdacht auf, daß der ehemalige Geschäftsführer - anders als bisher dargestellt - nicht etwa wegen der seltsamen Bargeldzahlung in Höhe von 580 000 Euro an den Spielerberater Volker Graul gehen mußte, sondern weil er mit weitaus mehr Geld undurchsichtige Geschäfte getätigt haben könnte. Bestätigen wollte Sprink das aber nicht. Und auch die Tatsache, daß beim Klub offenbar jahrelang mit einigen Millionen Euro hantiert werden konnte, ohne daß die Revision darauf aufmerksam wurde, vermochte der Sportbeauftragte nicht zu erklären. "Wir als Bayer", sagte er, "müssen jetzt genauso wie Sportler einen langen Atem haben. Wir haben materielle Aufräumarbeiten betrieben, stehen weiter zum Verein und werden gestärkt aus der Geschichte hervorgehen."
Artikel erschienen am Fr, 28. April 2006