28.04.2006
Bayer: Der Zusammenbruch des Systems Calmund
Von ALEXANDER HAUBRICHS
Leverkusen – Als Reiner Calmund am 9. Juni 2004 seinen Abschied verkündete, hatte man sich auf eine gemeinsame Geschichte geeinigt.
„Ich bin platt“, sagte der XXL-Manager damals. Bayer Leverkusen entließ ihn mit einer Direktoren-Pension in den Ruhestand. Es war das offizielle Ende des Systems Calmund. Inoffiziell war das ganze schon einige Zeit früher zusammengebrochen.
Nachdem Kirch-Krise und Horror-Saison 2002/03 für ein Rekordminus von 42 Millionen € gesorgt hatten, beauftragte der Bayer-Konzern externe Wirtschaftsprüfer und die eigene Revision mit der Prüfung der Fußballer-Bilanzen.
Es blieben einige offene Fragen. Da war die Barabhebung von 580.000 Euro für Spielervermittler Volker Graul, die seit März die Staatsanwaltschaft Köln beschäftigt.
Und bei den Südamerika-Transfers von Spielern wie Franca, Marquinhos, Zé Roberto und Robson Ponte, allesamt beim uruguayischen Spielervermittler Juan Figer unter Vertrag, deklarierten die Ermittler insgesamt 12 Millionen US-Dollar (9,34 Millionen €) als unklar, wie der Stadt-Anzeiger am Donnerstag berichtete.
„Die sind nicht versickert. Es war nur nicht auszuschließen, dass Geld an Spieler weitergereicht wurde. Das wäre steuerrechtlich problematisch. Hätten wir das nicht geregelt, hätte das unsere Konsolidierungsmaßnahmen verhageln können“, sagt der Konzernbeauftragte Meinolf Sprink.
Deshalb unterschrieben die Geschäftsführer Reiner Calmund und Wolfgang Holzhäuser eine Selbstanzeige. Sprink: „Wir haben das Amnestiegesetz für alle Fälle genutzt.“ Die Kosten der Vorsichtsmaßnahme, die alle Beteiligten vor Strafverfolgung schützt: rund 2,5 Millionen Euro.
Trotzdem stellt sich die Frage nach dem Geschäftsgebaren. Lange Jahre duldete man bei Bayer stillschweigend die Praktiken in der „Spielwarenabteilung“ Fußball-GmbH und sonnte sich in den Erfolgen, die mit den von Calmund gekauften brasilianischen Topstars errungen wurden.
Doch wie der EXPRESS schon im letzten Jahr enthüllte, musste der Konzern immer mehr Geld in die Fußballer stecken: Zu den insgesamt 25 Millionen € jährliches Werbeimagegeld gab’s von 2001 bis 2004 noch mal 100 Millionen €. Ein Ex-Manager bringt es auf den Punkt: „Champions- League-Fußball ist eben teuer.“
Zu teuer für den neuen Konzern-Chef Werner Wenning, der im Werk Einsparungen und Entlassungen verkaufen musste. Auch in der Liga wehte eine anderer Wind. „Ende der 90er war die Liga das Eldorado. Die Vereine haben aus dem Vollen geschöpft. Auch wir“, sagt Meinolf Sprink. „Deshalb ist es nicht ganz fair, aus heutiger Sicht zu urteilen.“
Da Calmund ein Sparkurs nicht zugetraut wurde, drängte man ihn ins Aus. Sein Kollege Wolfgang Holzhäuser, zuständig für die Finanzen und Mitunterzeichner der meisten Transfers, überlebte das Schulden-Desaster.
Immerhin dämmerte ihm in kleiner Runde schon mal, wie sehr er in seinem Job als Finanzchef versagt hatte: „Das konnte nicht gutgehen. Ich hätte viel, viel früher Nein sagen müssen.“