Tabularasa in Leverkusen: Calmunds Streit mit Holzhäuser

  • von Jens Bierschwale und Björn Lindert


    Leverkusen/Berlin - Die zurückliegende Woche hielt für Reiner Calmund "eine schöne Achterbahnfahrt der Gefühle" bereit, wie er sagt. "Am Montag war ich erleichtert, daß die Manipulationsverdächtigungen vom Tisch sind, Dienstag steht dann plötzlich die Steuerfahndung vor der Tür und Donnerstag ist die Nachversteuerung von Transfergeldern ein Thema." Die ganze Sache stimme ihn schon nachdenklich.


    Calmund (57) war 28 Jahre lang bei Bayer Leverkusen beschäftigt, die meiste Zeit davon als Geschäftsführer. Er ist mit dem Klub Pokalsieger und Uefa-Cup-Gewinner geworden, aber das härteste Spiel hat er erst zu bestreiten, seitdem er im Sommer 2004 seinen Posten räumen mußte. Es geht dabei inzwischen wohl weit weniger gegen seinen Ex-Arbeitgeber als vielmehr gegen seinen einstigen Geschäftsführer-Kollegen Wolfgang Holzhäuser.


    In der fortgesetzten Affäre unterm Bayer-Kreuz steht nun die nachträgliche Versteuerung von 9,5 Millionen Euro, die der Klub zwischen 1997 und 2003 für Spielerbeteiligungen bei Transfers aus dem lateinamerikanischen Raum aufbrachte und die sowohl Calmund als auch Holzhäuser absegneten. Dabei handelt es sich nach Informationen der WELT um gängige Geschäftspraktiken bei Spielerverpflichtungen aus Brasilien. Demnach sind etwa Profis wie Emerson, Zé Roberto, Lucio oder Juan, die Bayer zwischen 1997 und 2002 unter Vertrag nahm, mit mindestens 15 Prozent an der Transferentschädigung beteiligt gewesen. Doch offenbar war Bayer unklar, ob die Spieler tatsächlich das Geld von dem jeweils abgebenden Verein oder dem Berater erhalten haben und ob sie es ordnungsgemäß versteuerten. Deshalb habe man vorsichtshalber eine "strafbefreiende Anzeige im Rahmen des Amnestie-Gesetzes" getätigt, sagt Holzhäuser.


    Daß die ungewöhnliche Fürsorgepflicht erst jetzt, zwei Jahre nach der Anzeige, ans Licht kam, ist offenbar vereinsinterner Indiskretion geschuldet. Calmund soll Holzhäuser hinter der Attacke vermuten, obwohl dieser sich damit selbst belasten würde und den Vorwurf abstreitet: "Ich ärgere mich maßlos, daß einen Tag nach den Hausdurchsuchungen durch die Steuerfahndung diese Geschichte in der Öffentlichkeit auftaucht", sagte er gestern.


    Holzhäusers Darstellung zufolge seien die erfolgten Zahlungen richtig gewesen, weil es Rechnungen dafür gab. "Aber dann sind da drei Rechungen aufgetaucht, für Spieler, die entweder gar nicht zu uns gekommen sind oder schon längst wieder weg waren. Da habe ich darauf gedrängt, daß diese Gelder angemeldet werden, um Tabularasa zu machen."


    Insider vermuten allerdings seit längerem eine gezielte Taktik hinter dem Vorgehen Holzhäusers, der sich offenbar selbst reinwaschen und gleichzeitig seinen einst mächtigen Kollegen diskreditieren will. Calmund begegnet dem aber mit einem dicken Fell: "Ich habe 27 Jahre lang im Interesse des Vereins gehandelt. Was ich im Herzen habe, ist entscheidend. Und da werden diese paar Monate nichts dran kaputt machen."


    Artikel erschienen am Sa, 29. April 2006


    quelle: welt.de