Jens Nowotny spricht bei Sport1.de über einen bevorstehenden Wechsel ins Ausland, sein Comeback und seine WM-Chancen.
München - Jens Nowotny ist das Stehaufmännchen dieser Bundesligasaison.
Nach dem vierten Kreuzbandriss und dem Konflikt mit seinem Verein Bayer Leverkusen über Lohnfortzahlungen im Krankheitsfall stand das Karriereende des 32-Jährigen kurz bevor.
Doch Nowotny kämpfte sich wieder heran, einigte sich mit Leverkusen und hat gute Chancen, bei der WM für Deutschland zu spielen. Zur neuen Saison sucht der Abwehrspieler nach zehn Jahren Leverkusen eine neue sportliche Herausforderung.
"Ich bin rundum zufrieden"
Im Interview mit Sport1.de spricht der Abwehrspieler über sein Comeback, Bayers Höhenflug, die Wechselgerüchte und seine WM-Chancen.
Sport1: Zuletzt erlebten Sie eine Achterbahn der Gefühle. Nach ihrem vierten Kreuzbandriss haben Sie in der Rückrunde die Rückkehr in Bundesliga geschafft, sind mit Leverkusen auf Uefa-Cup-Kurs. Es muss Ihnen richtig gut gehen, oder?
Jens Nowotny: Auf jeden Fall. Es läuft alles sehr gut und ich bin gesund. Ich kann sagen: Ich bin rundum zufrieden.
Sport1: Was sind die Gründe für den Aufschwung bei Bayer?
Nowotny: Zum einen hat der Trainer viele Dinge wie die Taktik geändert. Die Mannschaft spielt auch viel befreiter auf, Dimitar Berbatov und Paul Freier sind richtig gut drauf. Zudem sind Carsten Ramelow und ich zurückgekehrt. Man kann also sagen: Der Einzelne spielt besser, ohne das Mannschaftsspiel zu vernachlässigen.
Sport1: Wundert es Sie, dass Ihr angekündigter Abschied von Leverkusen solch großen Wellen schlägt?
Nowotny: Es war abzusehen. Die letzten Monate waren sehr turbulent. Dabei meine ich nicht nur die Beziehung zwischen mir und Bayer, sondern auch alle anderen Vorgänge, die rund um den Verein vorgingen. Es werden dementsprechend alle Neuigkeiten mit Argusaugen beäugt und alle Dinge extrem hoch gekocht. Aber man muss damit leben, dass alles übertrieben negativ gesehen wird.
Sport1: Sie bekommen von Bayer eine Vertragsauflösungsentschädigung über 4,9 Millionen Euro. Stört es Sie, dass Sie als Raffzahn dargestellt werden?
Nowotny: Überhaupt nicht. Die Leute, die mich kennen und deren Meinung mir wichtig ist, wissen genau, wie sie mich einzuschätzen haben. Die anderen Leute machen sich ein Bild, ob wohl sie mich nicht kennen. Auf solche Meinungen kann ich nichts geben.
Sport1: Es wurde kolportiert, dass Sie sich erst nach der WM entscheiden wollen, zu welchem Verein Sie wechseln. Ist das richtig?
Nowotny: Nein. Mir ist es wichtig, mich vor der WM zu entscheiden, damit ich - eine Nominierung vorausgesetzt - zu 100 Prozent befreit ins Turnier gehen kann. Eine WM ist der Traum eines jeden, deswegen sollte vorher schon alles geregelt sein. Sonst hätte man auch ein Alibi für sich selbst. Und ich muss klarstellen: Ich hatte nie vor, die WM als Bühne zu nutzen. Die Gefahr, dass ich nicht spiele, ist viel zu groß. Das wäre doch eine Lachnummer gewesen.
Sport1: Ist schon klar, ob sie in der Bundesliga oder ins Ausland wechseln wollen?
Nowotny: Ich bevorzuge es, ins Ausland zu wechseln. Wenn sich eine Option in einer anderen Liga auftut, wäre es die erste Option. Das Land ist mir aber relativ egal, bislang habe ich noch kein anderes Land richtig kennen gelernt, deswegen bin ich offen für alles.
Sport1: Ihr Berater hat bestätigt, dass Champions-League-Aspirant AC Florenz Kontakt aufgenommen hat. Eine denkbare Option?
Nowotny: Absolut. Florenz ist genauso ein Klub, der mir vorschwebt. Der AC erinnert mich ein bisschen an Bayer. Wenn eine ernsthafte Anfrage kommt, könnten wir uns mit Sicherheit an einen Tisch setzen.
Sport1: Aus der Bundesliga sollen Stuttgart, Schalke und Dortmund an Ihnen interessiert sein. Zumindest der BVB hat dementiert. Wie ist da die Lage?
Nowotny: Interessante Vereine sind das auf jeden Fall. Wir haben aber definitiv mit keinem dieser Vereine gesprochen. Die Gerüchte kommen auch nicht aus der Richtung von meinem Berater und mir. Das Geschäft beruht auf Vertrauen, deswegen kommt es für uns nicht in Frage, falsche Dinge in die Welt zu setzen.
Sport1: Es gab auch das Gerücht mit Dinamo Zagreb…
Nowotny: Wir haben von Zagreb eine Anfrage. Ich bin nicht so eingestellt, dass ich eine Möglichkeit kategorisch ablehne. Auch wenn dort der Fußball nicht auf dem Niveau wie in Westeuropa ist, will ich die Option nicht völlig ausschließen. Man müsste das ganze Umfeld erst mal genau anschauen.
Sport1: Sind Sie sehr zuversichtlich, bei der WM dabei zu sein?
Nowotny: Es ist erst mal schön, dass ich so weit gekommen bin und mich herangekämpft habe. Wenn es mit der WM klappen sollte, wäre ich natürlich überglücklich und ein Traum würde in Erfüllung gehen. Aber jetzt schon auf eine Teilnahme zu spekulieren ist zu früh, es sind noch drei Bundesligaspiele.
Sport1: Sie sind aber davon überzeugt, dass Sie der DFB-Elf helfen können?
Nowotny: Es ist klar, dass man den Faktor Erfahrung nicht ignorieren kann. Eine gewisse Ruhe ist wichtig, um Drucksituationen auszuhalten. Und diese Gelassenheit habe ich in den letzten zehn Jahren, speziell aber auch in den letzten sechs Monaten bei Bayer gelernt. Aber wichtig ist auch, dass das Gesamtpaket passt. Nur Erfahrung reicht ganz klar nicht aus.
Sport1: Sind noch Steigerungsmöglichkeiten in dieser Saison drin?
Nowotny: Es haben sehr wenige Leute damit gerechnet, dass ich noch einmal zurückkomme und dann auch noch so eine konstante Leistung bringe. Ich merke aber auch, dass noch Luft drin ist. Und sollte es mit der WM klappen, ist eines klar: Die Luft muss dünner werden.
Das Gepräch führte Haruka Gruber