Der Bayer-Coach warnt angesichts vieler Schwächen auch nach sechs Siegen in Folge vor zu großen Erfolgserwartungen.
Berlin - Jetzt ist Falko Götz dran, das Mikrofon ist schon offen. Götz mag aber noch nicht über sein Fußballspiel reden, der Trainer von Hertha BSC Berlin muss beim Studium der Spieldaten einfach viel zu sehr staunen. Als er dann doch etwas sagt, zitiert er die Statistik: „Das ist schwer zu verstehen - Torschüsse 23:12 für uns; Ecken: 11:3; Flanken: 42:5; Ballkontakte - wir: 59 Prozent, die: 41 Prozent.“ Das Ergebnis jedoch: ein Tor für Berlin, fünf für Bayer 04 Leverkusen, den Gast, Götz glaubt: „Das ist Fußball paradox.“ Verbündete findet der Kopfschüttler genug, Bayers Sportchef Rudi Völler kommt mit einer Dreiwort-Zusammenfassung aus: „Das Ergebnis lügt.“ Und auch Leverkusens Trainer Michael Skibbe gibt zu: „Dieses 5:1 für uns lässt voll den falschen Eindruck von diesem Spiel entstehen.“ Das schon, aber egal ist es Skibbe natürlich trotzdem.
Der Ausflug nach Berlin hat das bestätigt, was Bayer 04 schon vor zehn Tagen in Hamburg erlebt hat: Im Saison-Endspurt mischt sich der Faktor Glück ein, er trägt ein Bayer-Trikot. Beim HSV war Skibbes Team schon die schwächere, permanent unter Druck stehende Mannschaft - und gewann 2:0. Am Dienstag war es wieder so, und Bayer siegte sogar mit 5:1. „Wir haben gewonnen, und das nehmen wir gerne so hin“, bilanziert also Skibbe.
Störende Ungenauigkeiten im Spielaufbau, kuriose Fehlpässe, immer wieder verlorene Zweikämpfe und ein paar Hertha-Spieler, die immer mal wieder alleine auf Leverkusens Torhüter Hans-Jörg Butt zulaufen durften: Gut hat Bayer 04 nicht gespielt. Besser war die Hertha schon - aber wie kann sie dann 1:5 verlieren? Wie kann Bayer nach zwei Toren von Dimitar Berbatow und einem Treffer von Juan mit 3:0 in Führung gehen? Wie war es Carsten Ramelow und Bernd Schneider möglich, auf 5:1 zu erhöhen?
Bayer-Kapitän Ramelow fällt dazu ein hübscher, schlichter Satz ein: „Wir haben einfach immer zum richtigen Zeitpunkt zugeschlagen - das war absolut top.“ Kaschiert hat man damit das, was Skibbe als „eklatante Mängel in der Defensive“ beschreibt; „die Rückwärtsbewegung hat nicht gestimmt; das Mittelfeld - außer Ramelow - hat nicht gut genug gearbeitet.“ Seine Innenverteidiger lobte Skibbe ausdrücklich: „Juan war überragend, Jens Nowotny war gut drauf.“ Während die Einschätzung des brasilianischen Nationalspielers unwidersprochen bleibt, verwundert sie bei seinem deutschen Kollegen. Nowotny war richtig schwach, bekam das Spiel und seinen Gegenspieler Pantelic nie in den Griff - „gut“, sagt Skibbe dazu, „man wird auch mal ausgespielt.“
Was am Dienstag mal wieder nicht so schlimm war - „das mit dem Glück kam ja auch noch dazu“, erzählt Skibbe, das Schicksal ermöglichte den Ausbau der Bayer-Siegesserie auf nun sechs Erfolge hintereinander. Es klingt wie das Gebet eines Schicksalsergebenen, wenn Skibbe sagt: „Ich will nicht hoffen, dass wir nun unser Glück aufgebraucht haben.“ Denn Fakt sei auch: „Ich kann nur warnen - man darf einfach nicht denken, dass nun alles so weitergeht.“
Zwei Spieltage vor dem Ende der Saison ist Leverkusen kurz davor, sein Saisonziel zu erreichen: Platz fünf, der ja zur Teilnahme am Uefa-Pokal berechtigt. Diese Position besetzt Bayer 04 vor den Spielen gegen Nürnberg und in Hannover, Vorsprung auf Rang sechs und Berlin: fünf Punkte. Und weil das Torverhältnis auch klar für die Rheinländer spricht, sollte doch nun bereits alles klar sein - oder? Nein, nein, antwortet Skibbe: „Es wäre fatal und total verkehrt, nun so zu denken. Wir haben viel Glück gehabt in dieser Saison.“ Und weil er so ehrlich ist, sagt der Glücksspieler im Trainingsanzug auch noch: „Wir können dieses Glück noch gebrauchen.“
Aber bitte, um allen mal ein Gefühl für die Wahrheit zu geben: „Unsere Ausgangsposition, was Platz fünf betrifft, hat sich dramatisch zu unseren Gunsten verändert.“ Das sagt Skibbe also auch noch. Zum Glück.
(KStA)