Acht Fragen an: Rudi Völler
Die Fragen stellte Andreas Kötter
2002 bekleidete Rudi Völler noch selbst das Amt des Bundestraineres, mittlerweile ist der 46-Jährige Sportdirektor bei Bayer Leverkusen. Mit dem Handelsblatt sprach er über seinen Nachfolger Jürgen Klinsmann, die deutschen WM-Chancen und die Qualität der Bundesliga im Vergleich zu anderen europäischen Ligen.
Herr Völler, am Montag hat Jürgen Klinsmann verkündet, mit welchen Spielern er gedenkt, Weltmeister zu werden. Hätten Sie ähnlich entschieden?
Ich freue mich sehr für Jens Nowotny, er hat sich diese Nominierung mit einer sehr guten Rückrunde verdient. Ansonsten möchte ich mich nicht zum Kader äußern.
Hätten Sie Odonkor nominiert?
Wie gesagt, es steht mir nicht zu, etwas dazu zu sagen.
Sie arbeiten während der WM als Experte für RTL, der Sender überträgt allerdings keine deutschen Spiele; war das für Sie Voraussetzung, um die Arbeit von Jürgen Klinsmann nicht unmittelbar beurteilen zu müssen?
Ja, ich hatte zunächst ein sehr gutes Angebot vom ZDF, aber wenn man zwei Jahre zuvor selbst noch verantwortlich war für diese Mannschaft und viele Spieler noch selbst trainiert hat, dann wird man nie objektiv genug sein. Sicher werden wir auch bei RTL über die deutsche Mannschaft sprechen, aber eben nicht unmittelbar nach einem Spiel.
Dann lassen Sie uns 23 Tage vor dem Eröffnungsspiel doch über die Chancen der deutschen Elf sprechen. Wie weit kommt Klinsmanns Kader?
Brasilien ist der absolute Top-Favorit, die sind noch besser, als vor vier Jahren. Danach gibt es fünf, sechs Teams, die Argentinier, die Engländer, Franzosen, die Holländer, die Italiener und auch wir, die ebenfalls Chancen haben. Und ich persönlich hoffe auch auf einen Außenseiter aus Afrika, der weit kommt, vielleicht die Elfenbeinküste.
Einer der Spieler, den Sie vor vier Jahren zur Vize-Weltmeisterschaft geführt haben, war Christoph Metzelder; der hat in einem Interview mit der „Zeit“ gesagt, dass bei Jürgen Klinsmann weit härter trainiert würde, als bei Ihnen...
…Tim Meyer, der Internist, der bei der Nationalmannschaft alle Tests macht, war auch bei uns schon dabei. Unser größtes Pfund bei der WM 2002 war neben der taktischen Kompaktheit gerade auch die Fitness. Wir haben nach einer damals sehr harten Saison genauso individuell trainieren lassen – den einen etwas mehr, den anderen etwas weniger – wie Jürgen Klinsmann das heute sicher auch macht. Andere Mannschaften haben damals im Turnierverlauf abgebaut, wir nicht. Und die Südkoreaner, die bis zum Halbfinale alles in Grund und Boden gerannt hatten, mussten gegen uns feststellen, dass sie so nicht zum Erfolg kommen würden. Es wäre also Blödsinn zu sagen, dass wir damals zu wenig trainiert hätten. Der Erfolg hat uns schließlich Recht gegeben.
Bayer Leverkusen stellt insgesamt neun Nationalspieler für die WM ab, ist das ein Handicap für die kommende Spielzeit?
Diese Problematik haben auch andere Vereine, die unter die ersten Sechs kommen wollen, da darf man nicht jammern.
Bejammern Sie denn den Wechsel von Dimitar Berbatov nach England zu den Tottenham Hotspurs?
Es ist verständlich, dass ein Spieler seiner Qualität Bayer Leverkusen irgendwann verlassen wird, so wie das auch schon bei Emerson, Ballack oder Lucio der Fall war. Es hätte ihm aber auch nicht geschadet, noch ein Jahr zu bleiben. Über kurz oder lang hätten sich auch die ganz großen Klubs bei ihm gemeldet.
Die ganz großen Klubs gibt es in Deutschland nicht mehr. Ist die Bundesliga im Vergleich zur Serie A, zur Premier League, der Primera Division und vielleicht sogar der französischen Ligue Une nur noch zweitklassig?
Nein, zweitklassig sicher nicht. Wir bezahlen gut, deshalb können wir viele Spieler halten. Trotzdem zahlen andere, wie die Premier League, noch besser. Und international ist zuletzt einfach zu wenig raus gekommen. Otto Rehhagel hat immer gesagt, „Geld schießt keine Tore“, aber das stimmt heute nicht mehr. Geld schießt auf Dauer eben doch Tore, damit müssen wir uns abfinden!
[URL=http://www.handelsblatt.com/pshb/fn/relhbi/sfn/buildhbi/cn/GoArt!200015,300939,1079965/SH/0/depot/0/%84geld-schie%DFt-auf-dauer-eben-doch-tore%93.html]HANDELSBLATT, Mittwoch, 17. Mai 2006, 08:30 Uhr[/URL]