Der Auftakt der Leverkusener Hochschultage stand ganz im Zeichen des Fußballs.
„Der Fußballwahn ist eine Krankheit . . .“, so beginnt das Gedicht „Fußball“ von Joachim Ringelnatz (1883 bis 1934). Wenn der Kabarettist und Schriftsteller anno 1920 bei Veröffentlichung seiner „Turngedichte“ geahnt hätte, wie weit er damit schon in die Zukunft vorausgeschaut hat. So fand die Auftaktveranstaltung der Leverkusener Hochschultage bezeichnender Weise unter dem Oberbegriff „Fußballfieber zwischen Größenwahn und Pleitegeier“ statt.
„Die Volkshochschule und die Fernuniversität Hagen greifen immer wieder aktuelle Themen auf. Was lag also näher, als im Jahr der Weltmeisterschaft in Deutschland den Fußball nicht nur von der sportlichen Seite zu beleuchten“, stellte Bürgermeisterin Irmgard Goldmann im Rahmen ihres Grußwortes treffend fest. Schließlich bewiesen die Organisatoren auch mit der Einladung dreier Experten ein glückliches Händchen. Jörn Littkemann, Wirtschaftswissenschaftler und ehemaliger Amateur-Trainer, beschäftigte sich in seinem Vortrag mit dem Controlling von Spielerinvestitionen im Profi-Bereich, der Bayer-Sportbeauftragte Meinolf Sprink klärte über die Sponsoring-Philosophie des Konzerns auf, der Leverkusener Journalist Marco Wiefel führte bei der abschließenden Diskussionsrunde geschickt Regie.
Die rund 20 Fußballinteressierten, die ins Studienzentrum der Fernuniversität gekommen waren, erfuhren am Dienstagabend zwar nichts über den gestern bekannt gegebenen Wechsel des Hamburgers Sergej Barbarez zu Bayer 04, erhielten dafür aber eine Vielzahl anderer interessanter Informationen. So erklärte Meinolf Sprink
! zur Diskussion um einen Ausbau der BayArena: „Leverkusen ist eine kleine Stadt zwischen Köln und Düsseldorf. Mit einem Fassungsvermögen von rund 22 000 Zuschauern ist unser Stadion keineswegs viel zu klein. Was wir allerdings verbessern müssen, ist die Infrastruktur, zum Beispiel Funktionsräume und Medienbereich.“
! zur Niederlage im Champions-League-Finale gegen Real Madrid am 15. Mai 2002: „Sportlich zweifelsohne tragisch, aus betriebswirtschaftlicher Sicht richtig. Die Zahlung von Prämien und so weiter wäre ein weiterer enormer Kostenfaktor gewesen. Und wir waren ohnehin schon deutlich in den roten Zahlen. Mit dem Abpfiff dieses Endspiels begann eine andere Zeitrechnung. Da mussten wir als Unternehmen gegensteuern.“
! zur Transferpolitik von Bayer 04: „Lassen sie sich nicht blenden. Lediglich im Fall des Brasilianers Emerson und jetzt aktuell von Dimitar Berbatov kann man von großen Transfers sprechen. Ansonsten haben wir keine größeren Erlöse erzielt.“
! zum Vertrag von Jens Nowotny, der den Klub nun verlässt und zum Abschied 4,7 Millionen Euro kassiert: „Das ist ein Musterbeispiel für die damalige Situation, vor der Kirch-Krise. Ich zitiere in diesem Zusammenhang unseren ehemaligen Manager Andreas Rettig, der gesagt hat, »Im Augenblick des größten Erfolgs macht man die größten Fehler.« Wir hatten Erfolg, haben ihn aber im wahrsten Sinne des Wortes teuer bezahlt.“
! zur aktuellen Situation im Profi-Fußball: „In der Bundesliga setzt sich mittlerweile etwas die wirtschaftliche Vernunft durch, es wird klarer strukturiert. Auch bei Bayer 04. Die Leute wollen das zwar nicht hören, aber El Dorado ist vorbei. Auf Kredit wird nicht mehr eingekauft. Wir haben den Weg für eine erfolgreichen Konsolidierung eingeschlagen.“
! zur künftigen Vereinspolitik: „Jetzt ist die Zeit für einen Umbau gekommen. Wir wollen junge Spieler verpflichten, möglichst aus Deutschland. Natürlich ist das ein schwieriger Prozess. Daher ist auch Geduld im Umfeld gefragt. Trotzdem erwarten wir als größter Einzelförderer der Bundesliga, dass wir international spielen und betriebswirtschaftlich eine schwarze Null steht.“
Fazit: Hätte doch der eine oder andere Fußballexperte - auch bei Bayer 04 - mal Joachim Ringelnatz' Gedicht zur Kenntnis genommen, viele Sorgen und folgenschwere Negativschlagzeilen wären ihm möglicherweise erspart geblieben. Das endet mit den Zeilen:
„Ich warne euch, ihr Brüder Jahns, vor Gebrauch des Fußballwahns.“
(KStA)