„Klinsi“ und der Kampf gegen die Schablone

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    Für Trainer Michael Skibbe ist der 22-Jährige „eines der größten Stürmertalente, das wir haben.“


    Studen / Köln - 21 Saisontore, das ist die Marke. Jedenfalls, wenn man die Statistik des Vorjahres wie eine Schablone auf die neue Saison legt. Dann müsste Stefan Kießling für Bayer Leverkusen 21 Tore schießen, so viele, wie Dimitar Berbatow in der Saison 2005 / 06 gelangen. Der Bulgare ist gegangen, der 1,94 Meter lange U-21-Nationalspieler ist gekommen. Aber so einfach soll man sich das nicht machen, sagen die Leverkusener, die Stefan Kießling vom 1. FC Nürnberg geholt haben. „Er ist eines der größten Stürmertalente, das wir haben. Man kann ihn noch nicht mit etablierten Stürmern vergleichen. Man darf nicht vergessen: Berbatow war in seinen ersten zwei Jahren bei Bayer 04 auch nicht der große Held“, sagt sein Trainer Michael Skibbe.


    Und auch Manager Michael Reschke redet nach Kräften gegen die Schablone an. „Wir sehen ihn nicht eins zu eins als Berbatow-Nachfolger“, sagt Reschke und verweist unter anderem auf den Preis: „Berbatow war mehr als dreimal so teuer.“ Für 16,5 Millionen Euro ging der Bulgare. Für den 1,91 Meter langen Franken hat Leverkusen rund fünf Millionen Euro Ablöse bezahlt. Es kann angeblich noch eine Million mehr werden, wenn Kießling in die A-Nationalmannschaft berufen wird. Er ist Leverkusens teuerster Einkauf seit Jan Simak. Aber Druck will Kießling daraus für sich nicht ableiten. „Das wäre das Falscheste, was man machen kann. Dann klappt es sowieso nicht. Ich kann ja nichts für die Ablösesumme“, sagt er, und: „Ich muss niemanden ersetzen. Ich muss auch keine 21 Tore erzielen.“


    In Nürnberg hat Kießling in der vergangenen Saison zehnmal getroffen. Sein Debüt gab er in der Bundesliga noch unter Trainer Klaus Augenthaler 2003. In der Saison des Wiederaufstiegs mit Nürnberg warf ihn eine Viruserkrankung zurück, deren Ursache bis nicht geklärt ist. Kießling hatte hohes Fieber und verlor acht Kilogramm Gewicht, Trainer Wolfgang Wolf sprach vom „einzigen Menschen, bei dem die Kniescheibe dicker ist als der Ober und Unterschenkel“.


    31 Einsätze hatte der Stürmer in der letzten Saison. Oft aber kam er nur von der Bank. Trainer Hans Meyer ließ meist Ivan Saenko, Markus Schroth und den erstaunlichen Rückrundentorjäger Robert Vittek in der Offensive beginnen. In Leverkusen ist er dagegen fester Bestandteil des Plans von Michael Skibbe. Gemeinsam mit dem erfahrenen Neuzugang Sergej Barbarez soll Kießling das Angriffsduo bilden. „Wir schlagen vergleichsweise viele Flanken“, sagt Skibbe „und Stefan ist kopfballstärker als Berbo.“ Für Kießling, den Franken aus Bamberg, ist der Wechsel ein großes Abenteuer: „Ich finde, es ist ein Riesenschritt für einen 22-Jährigen. Ich habe viel zurückgelassen.“


    Sein letztes Tor für den „Club“ erzielte er im Mai am vorletzten Spieltag in Leverkusen. Es war ein Tor, das niemanden mehr schmerzte. Leverkusen hatte den Uefa-Cup-Platz bereits sicher und Nürnberg die Abstiegssorgen längst hinter sich.


    Auf dem Platz erinnert er in seinem Laufstil an Jürgen Klinsmann, den Kießling in den gängigen Fragebögen auch als sein Vorbild nennt. „Überragende Willensqualitäten“ bescheinigt Bayer-Manager Reschke. In der Jugend wurde Leverkusens neuer Stürmer auch „Klinsi“ gerufen, jetzt schwanken die Spitznamen zwischen „Kieß“ und „Schuh“ - Letzteres wegen seiner Schuhgröße 48. Um die großen Füße rankt sich die Anekdote um sein erstes Tor für Deutschland, das er mit Blase und Schmerzen bezahlen musste: Seinen Treffer beim 2:2 der U 21 gegen England in Hull erzielte er in zu kleinen Schuhen von Torwart Michael Rensing. Die eigenen hatte er im Hotel vergessen.


    (KStA)