Nationaltrainer Jogi Löw hat dem Neu-Leverkusener Stefan Kießling einen Platz in der Nationalmannschaft in Aussicht gestellt. Im RUND-Interview spricht der 22-Jährige über seine Zukunft im DFB-Team, Ravioli-Dosen und seinen Lieblingsclub FC Arsenal.
Frage: Herr Kießling, Ihr Transfer zu Bayer Leverkusen ist einer der teuersten in dieser Saison. Dabei sah es zu Beginn Ihrer Karriere gar nicht nach solch einer schnellen Karriere aus. Ihr damaliger Trainer Wolfgang Wolf hielt Sie schlicht für zu leicht.
Stefan Kießling: 75 Kilo habe ich immerhin auch da schon gewogen, trotzdem hat er mir erst mal empfohlen, ordentlich Schweinebraten zu essen. Mittlerweile wiege ich auch schon 80 Kilo.
Frage: Wenn man die Bilder von damals mit den heutigen vergleicht, dürfte das allerdings eher am Kraftraum als am Braten liegen.
Kießling: Klar, als Profi bekommt man schon noch ein paar Muckis dazu, aber ich esse auch alles, was mir schmeckt. Ich sehe keine Gefahr, dass ich zu dick aus dem Urlaub komme. Ich war ja immer schon schmächtig und früher immer der Kleinste.
Frage: Und dann sind Sie in einen Topf mit Zaubertrank gefallen?
Kießling: Irgendwann in der C-Jugend habe ich plötzlich nicht mehr aufgehört zu wachsen. Ich hatte sogar Probleme am Knie, weil das eine Bein schneller als das andere wuchs. Deshalb konnte ich ein Jahr lang überhaupt kein Fußball spielen. 1997 war das, da war ich 14, 15 Jahre alt. Noch heute bin ich deswegen ein bisschen schief.
Frage: Stimmt es, dass Sie fast Koch geworden wären?
Kießling: Ich hatte im Schulpraktikum zwei Wochen eine Stelle als Koch, das hat mir großen Spaß gemacht. Ich hätte mir das schon als zweites Standbein neben dem Fußball vorstellen können. Irgendwann hatte ich dann ein Gespräch mit dem Chefkoch eines ziemlich guten Restaurants. Meine Mutter war dabei. als er mich fragte, was ich für Hobbys habe, habe ich geantwortet, dass ich hauptsächlich Fußball spiele, bei Eintracht Bamberg. Er meinte dann, ich müsse damit rechnen, öfter mal nicht zum Training oder zum Spiel zu können.
Frage: Aus seiner Warte eine verständliche Ankündigung.
Kießling: Klar. Ich habe jedenfalls nur kurz in die Runde geguckt, bin aufgestanden, habe ihm die Hand gegeben und mich bedankt. Meine Mutter war dann noch fünf Minuten da, ich weiß bis heute nicht, was dort noch besprochen wurde.
Frage: Hatte Ihre Mutter denn Verständnis dafür, dass Sie sich für den Fußball und gegen die Lehrstelle entschieden haben?
Kießling: Ja, eindeutig. Ich habe auch meine Jugendsünden begangen, dass ich mal die Schule geschwänzt habe oder so. aber sie hat mich nie dadurch bestraft, dass sie mir den Fußball verboten hat. Sie hat mich immer unterstützt, hat mich immer gefahren. Sie wusste, dass das mein Leben ist.
Frage: Vielleicht wären Sie ansonsten ein Sternekoch geworden. Am Herd kriegen Sie aber trotzdem mehr hin, als eine Dose Ravioli aufzumachen?
Kießling: Klar, das Image hatte ich in Nürnberg auch mannschaftsintern. Da musste ich zwar nix Großartiges machen, aber im Bus habe ich auch die Herrschaft über die Küche übernommen. Wir hatten da so ein Fertigmenü-Sortiment. Es gab tausende verschiedene Sachen, ich hatte dann die Schälchen im Blick und alles an den Platz gebracht. Mit Nachtisch und aufräumen dauert das schon eineinhalb, zwei Stunden.
Frage: Stimmt es eigentlich, dass Sie mal ein Angebot von Arsenal gehabt haben?
Kießling: Ja. Mein Berater hat wirklich einmal einen Anruf bekommen von Arsenal, er hat mir aber kaum etwas darüber erzählt. Ich habe mir da auch nie Gedanken darüber gemacht. Ob es dann gleich Arsenal London sein muss, wenn man noch nicht mal richtig Bundesligaerfahrung hat? Das Thema war jedenfalls schnell gegessen, obwohl Arsenal mein absoluter Lieblingsverein ist.
Frage: Dennoch sind Sie nicht schwach geworden?
Kießling: Lieber einen Schritt, der weniger weit führt, dafür aber ein fester. Erst so kann man den nächsten machen. Was bringt es mir, wenn ich es in London nicht packe und dann zu irgendeinem Zweitligisten gehe?
Frage: Leverkusen ist auch nicht Paderborn.
Kießling: Genau, aber auch nicht Bayern München, sondern genau der richtige Schritt für mich. Wenn ich mich da durchsetze, dann kann ich vielleicht auch mal von der Nationalmannschaft sprechen. Noch wäre das ziemlich vermessen.
Frage: Leverkusens Trainer Michael Skibbe gilt als Verfechter des 4-4-2. Das ist offenbar auch Ihr Lieblingssystem.
Kießling: Hans Meyer hat immer wieder gesagt, es liege mir eher, hinter den Spitzen zu spielen. Ich habe auch nie gesagt, dass ich das nicht gerne mache. Das war schon gut für meine Entwicklung, ich kann nach hinten arbeiten, auch mal einfach stehen bleiben, kann mit Schwung kommen, insgesamt viel lernen. Als klassischer Stürmer hingegen wartet man eher vorne auf die Bälle.
Frage: Sie sind in einem Alter, in dem andere es nicht geschafft haben, überhaupt von zu Hause auszuziehen. Sieht man so einen Umzug ganz rational - obwohl die Freunde im Fränkischen sind, und so mancher Nürnberg für die schönere Stadt hält?
Kießling: Ich habe in Nürnberg drei Jahre alleine gelebt, habe aber meine Wäsche immer noch zu Mama gebracht. Es ist ja nicht so, dass ich das nicht selbst könnte. Ich kann bügeln, waschen, für mich sorgen. auch wenn es sicher nicht einfach ist am Anfang, man muss alles neu erkunden, kennt noch keinen. Aber für die Entwicklung eines jungen Menschen kann doch so ein neuer Schritt nur gut sein. Man kann natürlich auch drei Straßen weiter ziehen, dann hängt man wahrscheinlich auch die Hälfte der Zeit bei der Mutter auf dem Sofa rum. Das bringt einen doch nicht weiter.
Frage: Zumal man ja immer wieder zurück kann.
Kießling: Genau, die Tür steht zu Hause immer offen. Das weiß ich.
Das Interview führte Christoph Ruf