BUNDESLIGA-KOLUMNE
Die beste Liga der Welt
Von Christoph Biermann
Oft gucken die deutschen Fußballanhänger neidisch auf den englischen Fußball. Dabei wird die Bundesliga in England als das gelobte Land für Fußballfans gefeiert. Vielleicht sollten wir das auch mal tun.
Man konnte spüren, dass der Reporterin des "Observer" bei jeder Zeile, die sie nach England schickte, das Herz überging. Von einem "Utopia für Fußballfans" berichtete sie überschwänglich, dem gelobten Land für alle Liebhaber des Spiels. Aus einer besseren Welt als aus der heimischen Premier League bekannt, berichtete sie. Unvorstellbar wäre es nämlich, schrieb sie, dass es einen Club gäbe, bei dem die Anhänger über Eintrittspreise mitentscheiden dürften. Wo die Spieler Hunderte von Kilometern reisen, um ihre Fans zu besuchen und diese beim Training zuschauen dürften. Die Anhänger hätten sogar über das Design des Stadions mitbestimmen können und würden mit dem Vorstand über die Finanzen des Clubs diskutieren. Nein, das wäre keine Einbildung, diesen Verein würde es wirklich geben und sein Name sei Schalke 04.
An dieser Stelle zuckt der deutsche Leser mit den Schultern, schließlich kann man sich das Training bei jedem Bundesligisten anschauen. Etliche Clubs schicken ihre Spieler auf Besuch zu auswärtigen Fanclubs, der FC Bayern sogar mal nach Kenia, oder haben Fanvertreter in den Aufsichtsräten. Auch wenn er manchmal hakt, fast überall gibt es einen Dialog zwischen Fans und Vereinsführung. Zweifellos gibt sich Schalke im Umgang mit seinem Publikum besonders viel Mühe, aber eigentlich hätte die Begeisterung der englischen Journalistin der Bundesliga insgesamt gelten müssen. Dass sie so enthusiastisch war, zeigt aber auch, wie weit die Premier League von solchen Zuständen inzwischen entfernt ist.
Im europäischen Vergleich gibt es keine Spitzenliga in Europa, die so sehr auf die Einbindung des Publikums schaut und zugleich Ungleichheiten auf dem Platz zu vermeiden sucht, wie das in der Bundesliga der Fall ist. In diesem Sinne ist sie vielleicht sogar die beste Liga der Welt. Daran sollte man auch denken, wenn dieser Tage die sportliche Bilanz der Post-WM-Saison gezogen wird.
Spannend war sie zwar wie schon lange keine mehr, fußballerisch aber oft nicht sehr überzeugend, und bestimmt ist die Bundesliga sportlich nicht die beste der Welt. Einiges davon könnte geändert werden, vor allem in der Ausbildung der Spieler, und spieltaktisch ist sicherlich noch Luft nach oben. Dass aber die absolute Spitzenklasse von Spielern in der Bundesliga so dünn besetzt ist, hat weitgehend wirtschaftliche Gründe. Die ganz großen Stars spielen bei den Großen der Premier League, der Serie A oder Primera Divisíon, auch deshalb, weil dort auf Ausgewogenheit kein Wert gelegt wird.
In England wurde durch die hohen Eintrittspreise das traditionelle Fußballpublikum ausgeschlossen, und in allen drei europäischen Spitzenligen konnte eine kleine Schar Clubs den Rest der Liga so abhängen, dass er nicht mehr ernsthaft am Kampf um die Meisterschaft teilnimmt. Dass bis zum vorletzten Spieltag in der Bundesliga Schalke, Stuttgart und Bremen um die Meisterschaft rangen, kam der englischen Reporterin etwa so vor, als würden das daheim Newcastle, Tottenham und Aston Villa tun. Angesichts der Übermacht von ManU, Chelsea, Liverpool und Arsenal war das für ihre Leser eine unglaubliche Vorstellung.
Wer also jetzt beklagen sollte, dass der Bundesliga die Weltstars fehlen, muss auch sagen, welche Schlüsse daraus gezogen werden sollen. Er muss höhere Eintrittspreise verlangen und Fußball ins Pay-TV verbannen, um mehr Fernsehgelder einnehmen zu können. Diese müssten dann zugunsten der Spitzenclubs umverteilt werden, damit der FC Bayern oder Schalke endlich mit Milan, Barcelona und Arsenal um die großen Spieler buhlen können. Dann würde vielleicht Kaká in der Bundesliga spielen, Cristiano Ronaldo oder Ronaldinho. Doch überschwängliche Berichte aus Deutschland nach England schickt dann niemand mehr.