Renaissance der "Pillendreher"

  • München - Jahrelang hat Rainer Calmund die Konzern-Bosse der Bayer AG mit gewichtigen Argumenten terrorisiert, "sein" TSV Bayer 04 Leverkusen müsse endlich die Vormachtstellung in der Bundesliga übernehmen.


    Und der Ex-Manager wurde meist erhört.


    Unsummen leierte Calmund dem Konzern für neues Personal aus den Rippen, mehr als der wenig ruhmreiche Beiname "V.izekusen" für zahlreiche zweite Plätze sprang aber nicht heraus.


    Seit dem Beinahe-Abstieg 2003 hat sich viel geändert im Rheinland.
    Calmund stolperte über angebliche Bestechungsgelder bei Spielertransfers, Trainer kamen und gingen und anstelle der Lucios, Ballacks und Ze Robertos spielen jetzt Ahmed Madouni, Simon Rolfes und Tranquillo Barnetta.


    Neuer Stolz aufs Werksteam-Dasein


    Das einst so verschmähte Image des "Pillendreher-Klubs" reißt Geschäftsführer Wolfgang Holzhäuser heute aus dem Bürosessel.
    "Es erfüllt uns mit besonderem Stolz, von allen Seiten als Werkself bezeichnet zu werden. "Klotzen statt kleckern" lautet Bayers altes, neues Motto.


    Sport1.de wirft einen Blick auf die Bayer-Jungs der Saison 2006/07.


    Das Personal:


    Auch wenn aus Leverkusens Geldhahn seit längerem nur mittelgroße Tropfen prasseln, muss sich die erste Elf nicht hinter der Konkurrenz verstecken. Mit Sergej Barbarez wurde ein erfahrener Goalgetter vom HSV losgeeist, der die junge Truppe führen soll.


    Der Bosnier bildet gemeinsam mit Deutschlands größter Sturmhoffnung Stefan Kießling den Angriff. Die Chancen stehen gut, dass der Name Dimitar Berbatov in Leverkusen bald in Vergessenheit geraten wird.
    Für die Abwehr wurde der tunesische Nationalspieler Karim Haggui verpflichtet. Vom 22-Jährigen wird nicht weniger erwartet, als den Langzeitverletzten Roque Junior zu ersetzen.


    Der Trainer


    An Michael Skibbes fachlichen Qualitäten als Fußball-Lehrer gab und gibt es nicht die geringsten Zweifel. Als Co-Trainer der deutschen Nationalmannschaft wurde er 2002 immerhin Vize-Weltmeister.


    Viele Kritiker werfen ihm jedoch vor, nicht genügend Autorität zu haben, und sich von dem ein oder anderen Spieler auf der Nase rumtanzen zu lassen.


    In Dortmund brachte Skibbe die vielen Stars nicht unter einen Hut. Auch in Leverkusen hatte der 41-Jährige anfangs große Schwierigkeiten.
    Wie fruchtbar seine Arbeit jedoch sein kann, zeigte sich in der Rückrunde der letzten Saison. Mit 33 Punkten war Leverkusen die zweitbeste Rückrundenelf, schoss 40 Tore und begeisterte mit Offensiv-Fußball.


    Ein Fehlstart in die neue Saison dürfte die notorischen Skibbe-Nörgler allerdings sofort wieder auf den Plan rufen.


    Der Star



    Glamouröses Auftreten ist nicht die Sache von Bernd Schneider. Dem Boulevard dient der "Schnicks" daher nicht gerade als Star. Mit seinen konstant guten Leistungen auf dem Platz ist er aber Leverkusens Aushängeschild.


    Seit sieben Jahren spielt der vielseitige Mittelfeldakteur bei Bayer, eine schwache Saison sucht man vergeblich. 41 Bundesligatore hat Schneider in den letzten fünf Jahren vorbereitet, 24 selbst erzielt.


    Unvergessen sind seine Gala-Auftritte bei der WM 2002. Im Finale gegen Brasilien (0:2) lieferte der mittlerweile 32-Jährige das Spiel seines Lebens ab. Auch 2006 zählte Schneider wieder zu den Leistungsträgern im DFB-Team.


    "Bernd Schneider ist unkaputtbar. Wenn andere schon hecheln, dreht er erst richtig auf", schwärmt Sportdirektor Rudi Völler.


    Der Hoffnungsträger:



    Der erst 22-jährige Stefan Kießling hat die undankbare Aufgabe, die Lücke zu schließen, die Dimitar Berbatov (69 Tore in fünf Jahren) hinterlassen hat.


    "Privat wie sportlich ist der Wechsel ein großer Schritt für mich", erklärt der Ex-Nürnberger im "kicker". Sein klares Ziel: "Ich will mich in Leverkusen entwickeln und für die Nationalmannschaft empfehlen."
    Mit guten Leistungen soll der Sprung ins A-Team von Jogi Löw gelingen. "Den Zeitpunkt kann ich nur indirekt bestimmen, über meine Leistung", so Kießling.


    Ergeizig ist der schnelle, 1,91 Meter große Strafraumstürmer allemal. Sein Ziel mit Bayer: "In den nächsten Jahren, einen Titel holen - vielleicht sogar die Meisterschaft."



    Das Ziel:



    "Bayer Leverkusen wird den internationalen Wettbewerb erreichen, davon bin ich überzeugt", sagt Trainer Skibbe - Platz fünf ist also das Minimalziel.


    Kießling sieht aber durchaus Potenzial für einen Champions-League-Platz: "Möglicherweise ist auch mehr drin."


    Die Prognose:



    Wenn Leverkusen es schafft, zwei gleichstarke Runden zu spielen, ist eine Überraschung zwischen Platz zwei und vier möglich.


    Halten die Defensivprobleme aber an und Kießling/Barbarez treffen nicht so oft wie Berbatov, landet Bayer zwischen fünf und acht.


    Thomas Gaber


    sport1.de