Wenn es gut läuft, kann Bayer 04 den fünften Platz aus der vergangenen Saison verteidigen
Von Erik Eggers
Wer hat das Sagen im Verein? Der Konzern – in Gestalt des sogenannten „Gesellschafterausschusses“, dem unter anderem der Sportbeauftragte der Bayer AG, Meinolf Sprink, angehört. Er wird aktiv, wann immer es brennt in Leverkusen, und in den letzten drei Jahren brannte es oft (Abstiegsangst, Calmund-Demission, et cetera). Das operative Geschäft führt Wolfgang Holzhäuser, assistiert von Sportdirektor Rudi Völler. Dabei scheint Leverkusen eine neue PR-Strategie zu verfolgen: Da Holzhäuser zuletzt oft unglücklich in der Öffentlichkeit agierte (oder dargestellt wurde), soll Völler noch mehr zum „Gesicht“ des Bayer-Fußballs aufgebaut werden.
Was hat sich verbessert? Es ist deutlich ruhiger geworden unter dem Bayer- Kreuz. Die Wellen um den angeblichen Skandal um die 580 000 Euro, die der damalige Co-Geschäftsführer Reiner Calmund im Jahr 2003 an den Spielerberater Volker Graul gezahlt hatte, haben sich beruhigt: Das staatsanwaltliche Verfahren gegen Calmund, das im Frühjahr Schlagzeilen gemacht hatte, steht kurz vor der Einstellung. Ob sich der Kader verbessert hat, muss sich erst noch erweisen. Schwer wiegt der Verlust des Stürmerstars Dimitar Berbatov (zu Tottenham); ob Sergej Barbarez (vom HSV) und der Fünf-Millionen-Einkauf Stefan Kießling (vom 1. FC Nürnberg) den technisch brillanten Bulgaren ersetzen können, zweifeln viele an.
Wie sicher ist der Job des Trainers? Recht sicher. Michael Skibbe wird sicherlich nicht bei den ersten Krisenerscheinungen gefeuert werden – zu eng ist die Verbindung zu Völler, mit dem er zwischen 2000 und 2004 die Nationalmannschaft coachte. Nibelungentreue darf man von Völler freilich auch nicht erwarten.
Welche Taktik ist zu erwarten? Seitdem die Mannschaft mit dem etablierten 4-1-3-2 große defensive Schwächen offenbarte, favorisiert Skibbe das 4-2-3-1-System. Als Stoßstürmer ist Stefan Kießling vorgesehen, in der offensiven Zentrale spielte zuletzt Sergej Barbarez. Über ein großes Angebot verfügt Skibbe im Mittelfeld mit dem erfahrenen Bernd Schneider, dem im Frühjahr sehr starken und durchschlagskräftigen Tranquillo Barnetta, Marko Babic, Paul Freier, Andrej Woronin und Athirson. Im defensiven Mittelfeld sind Kapitän Carsten Ramelow und Simon Rolfes gesetzt. Der tunesische Nationalspieler Karim Haggui soll in der Innenverteidigung den angeschlagenen Roque Junior (Achillessehnenprobleme) ersetzen.
Welche Platzierung ist möglich? Angestrebt wird die Teilnahme an einem europäischen Wettbewerb. Mehr als Platz fünf dürfte dabei nicht herausspringen.
Wer sind die Stars? Kapitän Ramelow, der nun schon seit über zehn Jahren in Leverkusen spielt, nimmt immer noch eine überaus wichtige Rolle ein. Der brasilianische Innenverteidiger Juan spielt zwar spektakulär, entzieht sich mit seiner lethargischen Art aber jeglichem Star-Rummel. Das größte Potenzial besitzen hier sicherlich Simon Rolfes, dessen Stil schon viele mit dem Michael Ballacks vergleichen, sowie der Schweizer Barnetta.
Wie sind die Fans? Die Wut der Fans über den Rausschmiss des Volkstribunen Calmund ist mittlerweile verraucht; viele Anhänger sehen mittlerweile ein, dass der Kurs geändert werden musste. Dennoch wird, sollte es nicht laufen, Holzhäuser weiterhin als Sündenbock fungieren. Große Stimmung darf man auch diese Saison nicht erwarten.
Wer ist der WM-Held? Keiner. Bernd Schneider spielte ein gutes, aber kein spektakuläres Turnier. Der Brasilianer Juan spielte zwar exzellent, hatte aber unter dem Großmut seiner Kollegen zu leiden. Babic ging mit Kroatien unter. Der Ukrainer Woronin arbeitete extrem viel für seinen Star Schewtschenko. Den besten Eindruck hinterließ noch Barnetta mit der Schweizer „Nati“. Doch im entscheidenden Augenblick, im Achtelfinale gegen die Ukraine, ging dem 21-Jährigen im Elfmeterschiessen die Puste aus.