Das 2:1 gegen Leverkusen beweist: Erfolg ist bezahlbar. Jedenfalls wenn man wie Werder Bremen eine geschickte Transferpolitik betreibt. Neuestes Schnäppchen: der überragende Brasilianer Diego
In der 65. Minute war es so weit. Leverkusens Sergej Barbarez rannte links am Bremer Tor vorbei, auf die Werbebande zu und gab ihr mit rechts einen wuchtigen Tritt, der bis auf die Ränge zu hören war. Barbarez wollte nicht die Innenminister in ihrem Kampf gegen den Werder-Sponsor bwin unterstützen - in Bremen dürfen die Kicker derzeit, anders als in Hannover, aufgrund einer Gerichtsentscheidung mit den Trikots des Sportwettenanbieters auflaufen. Und auch die vom Bosnier malträtierte Spielfeldbegrenzung trug den heiklen Schriftzug. Nein, es ist der Frust: Hätte der Exhamburger ein bisschen mehr Gewalt gebraucht keine zehn Sekunden zuvor, dann hätte es 1:2 gestanden für Leverkusen. Doch Barbarez hatte den Ball zielsicher auf den rechten Pfosten gespitzelt.
Stattdessen fiel zehn Minuten später der 2:1-Siegtreffer für Bremen. Dabei waren die von Trainer Michael Skibbe offensiv eingestellten Leverkusener über weite Strecken die bessere Mannschaft. Der agile Paul Freier war mehr als nur ein Ersatz für den beim Aufwärmen lädierten Bernd Schneider. Auch die Neuzugänge Stefan Kießling und Barbarez harmonierten bereits prächtig. Mehr Biss in den Zweikämpfen, mehr Schüsse, mehr Ecken. Aber weniger Tore. Und keins aus dem Spiel heraus: Freier brauchte einen Elfer, um Leverkusen in Führung zu bringen. Den 1:1-Ausgleich besorgte Miroslav Klose per Kopf in der 26. Minute.
Den Unterschied allerdings machten die Neuen im Bremer Trikot. Der Portugiese Hugo Almeida erzielte den Siegtreffer, und beide Torvorlagen kamen vom Brasilianer Diego. Der ist aber nicht nur effektiv, sondern verzaubert auch noch. Hackentricks und Fallrückzieher waren am Samstag im Angebot. "Solche Aktionen kommen nur in Frage, wenn sie Sinn haben", verspricht der Spielmacher nach der Begegnung. Und dass es sein Ziel sei es, "der Mannschaft zu helfen".
Alles nur übliches Blabla? Überraschenderweise nein: Zielorientierte Akrobatik, technische Brillanz im Dienst der Sache, das ist tatsächlich der Stil von Diego. Niemand auf dem Platz, schon gar nicht die müden WM-Helden Torsten Frings und Tim Borowski, zeigte mehr Einsatz als der sich ständig in Bewegung befindliche, die Bälle oft im Zweikampf erobernde 21-Jährige. Und anders als der zur neuen Saison nach Frankreich abgewanderte Johan Micoud ist er nicht nur technisch brillant, sondern auch ein Kämpfer. Der aber, so mahnte sein Kollege Klose nach dem Spiel an, nach hinten noch mehr arbeiten könnte.
Der Sieg aber ist vor allem der erneute Beweis, dass Sportdirektor Klaus Allofs in Bremen mit relativ bescheidenen Mitteln seit bald einem Jahrzehnt die vielleicht beste, in jedem Fall aber glücklichste Transferpolitik der Liga betreibt: Ailton, den Titelhelden der Meisterschaftssaison, hat er ziehen lassen, als er auf dem Höhepunkt seines Könnens schien, ihn aber, wie sich bald darauf in Gelsenkirchen zeigte, in Wahrheit schon überschritten hatte. Dafür kam Klose - mit den bekannten Folgen. Und für Nelson Valdez, der nun in Dortmund sein Image als Chancentod pflegt, hat man sich prompt den nun erfolgreichen Almeida von Porto ausgeliehen. Und Zidan aus Mainz zurückgeholt. Auch die Schmerzlosigkeit von Micouds Abgang verdanken die Bremer dem Torjägerinstinkt ihres Sportdirektors: Diego hätte man sich im Normalfall nicht leisten können. Doch der Mann, dem eine wichtige Rolle beim Wiederaufbau der brasilianischen Seleçao prophezeit wird, habe beim FC Porto, so Allofs, "Probleme mit dem Trainer" bekommen, wollte weg. Und Bremen hatte den Kontakt seit drei Jahren behutsam aufgebaut. Auf die Chance warten und im entscheidenden Augenblick zuschlagen: Möglich ist das nur, wenn nicht Trainer und Management alle zwei Jahre neu zusammengewürfelt werden.
Am Samstag war das spielentscheidend: Denn auch wenn Barbarez weit davon entfernt ist, ein Fehleinkauf für Leverkusen zu sein - für die Rolle der Sturmspitze hat sich der ehemalige Mittelfeldmann auch in Hamburg schon nicht qualifiziert. Wie dort agierte er auch in den Reihen der Rheinländer: bienenfleißig, engagiert, technisch versiert, brandgefährlich. Aber ohne Knipserinstinkt. In Bremen dagegen haben sich die Neuen bereits nahtlos ins Mannschaftsgefüge eingereiht. Und die Spitzen stechen.
taz vom 21.8.2006, S. 18, 145 Z. (TAZ-Bericht), BENNO SCHIRRMEISTER