Allrounder mit Gefühl

  • Allrounder mit Gefühl


    Freitag, 6. Oktober 2006
    Von Tim Farin


    Es war ein Treffer mit Gefühl: Am vergangenen Bundesliga-Spieltag gegen den FC Schalke 04 bekam der 19-jährige Gonzalo Castro eine Faustabwehr von Schalke-Torwart Frank Rost vor die Füße. An der Strafraumgrenze fällte der Nachwuchsspieler von Bayer 04 Leverkusen eine kühne Entscheidung: Statt mit Wucht zu schießen oder ein ungewissen Pass zu geben, schickte er mit dem rechten Fuß einen Heber über das Getümmel im Strafraum hinweg ins Ziel. Ein Traumtor, das Leverkusens Heimsieg einleitete - und das zeigte: Gonzalo Castro ist ein Spieler, dem in Zukunft große Auftritte gewiss sind.


    Fußballerisch herausragend
    Der deutsche U-21-Nationalspieler ist rechtzeitig für die Qualifikations-Playoffs zur UEFA U21-Europameisterschaft gegen die englische Jugendauswahl (6. und 10. Oktober) in Topform. In Leverkusen hat er diese Saison bei fünf Einsätzen bereits drei Tore erzielt und eines vorbereitet. Gegen Schalke war er mit zwei Treffern verantwortlich dafür, dass sein Team einen frühen Rückstand drehen konnte. Die Zeitungen druckten Jubel-Artikel über den 1,70 Meter kleinen und 71 Kilogramm schweren Allrounder. „Fußballerisch ist er für sein Alter herausragend“, schwärmte Leverkusens Trainer Michael Skibbe.


    Mal links, mal rechts
    Castro, der in Anlehnung an die exzentrische Figur aus der Muppet-Show den Spitznamen „Gonzo“ trägt, überzeugt mit Vielseitigkeit. Ursprünglich trat er als quirliger Techniker im zentralen Mittelfeld in Erscheinung. Er selbst beschrieb sich als Mischung aus Xavi Hernández und Claude Makelele. Anfang der aktuellen Saison wurde Castro im Verein auf die rechten Außenverteidiger-Position gestellt, zuletzt überzeugte er dann zweimal auf links. „Ich fühle mich überall wohl“, sagt der gebürtige Wuppertaler über diese Wechselspiele.


    Schwierige Entscheidung
    Dass er sich auch in der deutschen U-21-Nationalmannschaft wohl fühlen würde, war keinesfalls selbstverständlich. Noch im vergangenen Herbst rangen die Verbände Deutschlands und Spaniens um die Zusage des jungen Mannes, der zwar einen westdeutschen Akzent, aber auch eine iberische Abstammung sowie den spanischen Pass hat: Sein Vater kommt aus Málaga in Andalusien, seine Mutter aus dem katalonischen Girona. Für Castro war es die „schwierigste Entscheidung meines Lebens“. Doch weil er in Deutschland aufgewachsen war und das Fußballspielen erlernt hatte, entschloss er sich für den Deutschen Fußball-Bund.


    Erstes Länderspieltor
    In der deutschen U-21-Auswahl ist Castro bereits zu einem Schlüsselspieler avanciert. Seit seinem Debüt im Februar absolvierte er neun Länderspiele. Trainer Dieter Eilts schätzt besonders, dass er Castros ausgeprägte Zweikampfstärke und Schnelligkeit vielseitig nutzen kann. Beim glänzenden 5:1-Heimsieg gegen Rumänien im September war Castro einer der herausragenden Akteure und erzielte sein erstes Länderspieltor.


    Erste Enttäuschung
    Einen Rückschlag hat Castro schon hinter sich: Nachdem er in der Rückrunde der Bundesliga-Saison 2004/05 das Leverkusener Publikum verzückt hatte, wurde er zur Hälfte der vergangenen Spielzeit in die Regionalliga-Auswahl zurückgestuft. „Ich hatte körperlich einen Durchhänger“, berichtet der sonst physisch starke Castro. Doch sein Trainer munterte ihn auf: Ein Einbruch sei nicht schlimm, so lange Castro fleißig weiterarbeite. Das tat er. Gleich am ersten Spieltag der neuen Saison gelang ihm gegen Alemannia Aachen sein erstes Bundesliga-Tor. „Aachen war so etwas wie ein Schlüsselspiel“, sagte Castro. Ein positives Schlüsselspiel.


    Ronaldinhos Tricks
    Nachdem Castro im Juni seine Berufsausbildung als „Sport- und Fitnesskaufmann“ bei der Bayer 04 Fußball GmbH beendet hat, kann er sich voll auf die fußballerische Zukunft konzentrieren. Er gehört zu den vielversprechenden Kandidaten für die A-Nationalmannschaft. „Die EM 2008 ist sicherlich ein Ziel“, sagt Castro, „es wäre ein Traum, dabei zu sein.“ Immerhin hat er schon die Erfahrung gemacht, mit den ganz Großen der Welt zusammenzuspielen. Beim FIFA Confederations Cup im Juni 2005 durfte „Gonzo“ an einem Training mit der brasilianischen Nationalmannschaft teilnehmen. Er plauderte mit Ronaldinho und schaute sich ein paar Tricks bei ihm ab. Es spricht für Castros Optimismus, dass er die technischen Einlagen für kopierbar hält: „Wenn man daran arbeitet, schafft man es auch.“


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