Allzu viele getrauten sich nicht mehr, nach der sportlichen Peinlichkeit im Schwabenlande noch etwas Erhellendes zu sagen. Oder sie hatten einfach keine Lust. Mit den Worten „Ich muss weg“ ließ beispielsweise der brasilianische Starverteidiger Juan die ihm lästige Medienbrut links liegen und marschierte hohlwangig und starren Blicks in Richtung Leverkusener Mannschaftsbus. Dort verbrachte er die restliche Zeit bis zur Abfahrt unbehelligt hinter den getönten Scheiben der Luxuskarosse.
Die wenigen aber, die dennoch mutig Auskunft gaben über die Geschehnisse, die etwa eine halbe Stunde zuvor 35 000 Stuttgarter Fans im Gottlieb-Daimler-Stadion zu Jubelstürmen hinrissen, waren sich ausnahmslos einig: „Wir können heute froh sein, nur 0:3 verloren zu haben“, resümierte ein nachdenklicher Nationalspieler Bernd Schneider. „Das war unser schlechtestes Saisonspiel, die Hälfte der Mannschaft ein Totalausfall“, giftete Bayer-Sportdirektor Rudi Völler. Und auch Torwächter Jörg Butt, der trotz der drei Gegentreffer noch den besten Eindruck aller Leverkusener Vollprofis machte, fällte ein vernichtendes Urteil: „Schrott“ hätten sie gespielt beim VfB. „So hat man in der Bundesliga nichts verloren.“
Er ist scheinbar unausrottbar, jener Bazillus, der das Werksteam immer dann befällt, wenn es sich endlich auf dem richtigen Weg glaubt. Ein paar ordentliche Ergebnisse mit einem richtig schönen Spiel als Krönung (im aktuellen Fall ein 3:1 gegen Schalke 04), und die Selbstzufriedenheit hält unabänderlich wieder Einzug auf dem Bayer-Hof. Wer so gut ist und dank der anstehenden Länderspieltermine auch noch lange genug darüber nachdenken kann, der darf auch sorgenfrei den VfB besuchen - eine Mannschaft, die schließlich bis zum letzten Samstag noch kein Heimspiel für sich entschied. Nach der Leverkusener Visite freilich gestand auch der frustrierte Trainer Michael Skibbe ein, „dass wir noch gut bedient sind. Wir haben es wieder einmal nicht geschafft, nach einer Länderspielpause das Tempo der Bundesliga anzunehmen.“
Im Gegensatz zum jungen Team der Gastgeber. Der „Verein für Bewegungsspiele“ machte seinem Namen alle Ehre. Mario Gomez, Sami Khedira, Arthur Boka & Co. rannten und schossen, sie kämpften und kratzten und machten mit diesen Grundelementen des Fußballs den lethargischen Gegner chancenlos. „Wir sind immer nur hinterhergelaufen“, konstatierte der vom Bremer Schiedsrichter Peter Gagelmann frühzeitig zum Duschen geschickte Carsten Ramelow, der jedoch die Gelb-Rote Karte, die er nach einem vermeintlich absichtlichen Handspiel im Strafraum und einem vorausgegangenen Foul am Gomez sah (61.), nicht als Ursache der Niederlage heranzog: „Ob mit zehn oder mit elf Mann - wir hätten hier heute in jedem Fall verloren.“
Eine Analyse, die Ramelows Vorgesetzte hellhörig machen sollte. Stuttgart konnte es sich sogar leisten, den vom Käptn verursachten Handelfmeter in Person von Antonio da Silva ebenso zu vergeben wie sechs bis sieben weitere hochkarätige Torchancen. Die Treffer des überragenden Gomez (22.), Bokas (48.) und des eingewechselten Thomas Hitzlspergers (76.) reichten dennoch, die blutleer wirkende Skibbe-Truppe bis auf die Knochen zu blamieren. Bayer, bei dem sich zu allem Überfluss Gonzalo Castro auch noch am Schlüsselbein verletzte, verzeichnete bis auf einen Pfostenschuss von Schneider (53.) keine gelungene Offensivaktion. „Der Hildebrandt wird nicht duschen müssen“, mutmaßte Völler über den VfB-Torhüter. Gemein, der Völler.