006.11.06 Der aktuelle Pressespiegel Saison 2006/07 Frankfurter Rundschau
Marco Rose verließ die Leverkusener Arena als der Fußballspieler gewordene Geist des Westerwaldes. Drei Tage hatten sich die Profis des FSV Mainz 05 vor dem Auswärtsspiel bei Bayer 04 Leverkusen in die Einsamkeit des Westerwaldörtchens Westerburg zurückgezogen, um sich auf sich selbst und die Mainzer Stärke der mannschaftlichen Geschlossenheit zu besinnen. "Wir haben uns dort geschworen, dass Einzelinteressen absolut keine Rolle mehr spielen dürfen", erklärte Rose die Essenz der Besinnungstage im Mannschaftskreis. "Das habe ich heute wohl eindrücklich umgesetzt, indem ich mich für das Team geopfert habe."
Die pathetischen Worte beschrieben das als Notbremse gewertete Einsteigen des Linksverteidigers gegen Bayer-Stürmer Stefan Kießling in der Schlussminute einer durchschnittlichen Bundesligabegegnung. Kießling hätte den vor dem Tor lauernden Ex-Mainzer Andrej Woronin mustergültig bedienen können, wenn Rose ihn nicht in letzter Sekunde knapp vor der Strafraumgrenze von den Beinen geholt hätte. Notbremse. Schiedsrichter Michael Weiner schickte den Mainzer mit einer Roten Karte vom Feld. Der erste Platzverweis für die 05er seit mehr als anderthalb Jahren sicherte das 1:1 und den ersten Punktgewinn nach drei ganz düsteren Wochen.
Drei Niederlagen und 2:10 Tore brachten die Welt beim auf Tabellenplatz 17 abgerutschten Gute-Laune-Klub zuletzt ins Ungleichgewicht. Trainer Jürgen Klopp sah sich plötzlich heftiger Angriffe in den Medien ausgesetzt. Dort wurde spekuliert, dass sich die Motivationskunst des 39 Jahre alten Fußballlehrers verbraucht habe, er sich zudem durch seine Nebentätigkeiten als Fernsehexperte und Werbestar verzettele.
Vor dem Spiel in Leverkusen musste man den Mainzern angesichts dieser Ausgangslage vorsorglich empfehlen, eine Großpackung der in der Nachbarschaft der Arena produzierten Kopfschmerztabletten zur Linderung der ärgsten Nebenwirkungen einer weiteren Niederlage zu erwerben. Mit einem aufopferungsvollen Kampfspiel machten die Kicker den Einsatz des pharmazeutischen Erzeugnisses jedoch überflüssig und verschafften sich stattdessen mit dem ersten Punktgewinn seit vier Wochen die beruhigende Wirkung des Naturheilmittels Baldrian höchstselbst. "Dieser Punkt tut einfach gut. Er verschafft uns Ruhe vor den anstehenden Aufgaben", sagte ein sichtlich erleichterter Klopp nach dem Spiel.
Statt des einzigen Mainzer Fußballstars stand plötzlich sein Gegenüber Michael Skibbe am Pranger. Während des Spiels bekundeten die verwöhnten Bayer-Fans schon mit Pfiffen ihren Missmut gegenüber dem Trainer, der für den schlechtesten Saisonauftakt seit 1987 verantwortlich gemacht wird. "Diese Reaktionen des Publikums tun weh, weil wir die Unterstützung gut hätten gebrauchen können, um zu gewinnen", sagte Skibbe.
In der Tat hätte der Tabellen-Zwölfte angesichts zahlreicher hochkarätiger Chancen das Spiel für sich entscheiden müssen. Die Gäste waren nämlich lediglich bis zum Führungstreffer durch Imre Szabics in der 28. Minute offensiv präsent, anschließend bestimmten die anfangs völlig verunsicherten Leverkusener das Geschehen auf dem Platz. Doch nur Sergej Barbarez gelang es, den überragenden Gästetorhüter Dimo Wache in der 45. Minute mit einem sehenswerten Schuss aus 20 Metern zu überwinden.
"Wir befinden uns in einer ähnlichen Situation wie in der vergangenen Saison", sagte Bayer-Mittelfeldspieler Simon Rolfes. "Wir dürfen aber jetzt nicht die Ruhe verlieren, sondern müssen uns wie im Vorjahr im Saisonverlauf steigern." Das Auswärtsspiel am Mittwoch in Bochum wird indes wohl schon weisen, ob eine ähnliche, letztlich auf einem Uefa-Cup-Platz endende Steigerung wie in der vergangenen Saison unter Skibbe vonstatten gehen darf.
Die Mainzer blicken unterdessen voller Tatendrang dem Heimspiel gegen den erstarkten VfL Wolfsburg entgegen. Dann soll nach neun sieglosen Spielen endlich wieder ein Dreier eingefahren werden. "Da muss jetzt der Knoten platzen. Wir haben heute die Grundlage gelegt für einen Sieg gegen Wolfsburg", sagte Rose. Für den Erfolg im Spiel am Dienstagabend (20 Uhr) muss sich der Geist des Westerwaldes allerdings einen neuen Darsteller suchen. "Ich habe jetzt wohl erst einmal zwei bis drei Spiele Urlaub", sagte Rotsünder Rose. Und das durchaus zu Recht.
bayer04.de/Pressespiegel