VON ANDREAS SCHIRMER, 23.11.06, 12:12h
Leverkusen - Für Bayer 04 Leverkusens Jung-Stürmer Stefan Kießling hat das UEFA-Cup-Gastspiel von Tottenham Hotspur eine besondere Brisanz und Pikanterie. Schließlich kehrte sein am Rhein zum Toptorjäger aufgestiegener Vorgänger Dimitar Berbatow an die ehemalige Wirkungsstätte zurück.
«Wir haben mit Berbatow einen Weltklassestürmer verloren und versucht, die Lücke mit dem hochtalentierten Kießling zu füllen», sagte Bayer-Sportdirektor Rudi Völler. «Im Moment ist er in dieser Position noch ein wenig überfordert und verunsichert.» Der erste Saisontreffer in der elften Bundesliga-Partie gegen Bayern München sollte Kießling Auftrieb geben, doch gegen seinen Ex-Club 1. FC Nürnberg war davon nicht viel zu sehen. «Ich weiß jetzt, dass ich noch Tore schießen kann», klammert sich der 22-Jährige dennoch an dieses Erfolgserlebnis.
Bei den Franken hatte er in vier Jahren in 71 Pflichtspielen 14 Mal getroffen und die halbe Liga auf sich aufmerksam gemacht. Die Leverkusener machten das Rennen und zahlten rund sechs Millionen Euro für Kießling, den Völler für das größte Stürmer-Talent neben Lukas Podolski hält. «Man muss einem Spieler wie ihm auch das Gefühl geben, dass so eine hohe Ablösesumme keine große Belastung sein darf», sagt der Bayer-Sportchef, «er hat so ein bisschen seine Unbekümmertheit verloren.» Kießling werde aber die Zeit bekommen, «um ein richtig guter Stürmer zu werden».
Auch der bulgarische Nationalspieler Berbatow brauchte drei Jahre, um den Durchbruch zur Extraklasse zu schaffen. In der ersten Spielzeit bei Bayer traf er überhaupt nicht und in den zwei folgenden Jahren in 48 Bundesliga-Spielen nur zwölf Mal. Bei seinem Abschied nach England in diesem Frühjahr hatte er aber insgesamt 69 Treffer als Referenz vorzuweisen. «Seine optimale Leistungsfähigkeit wird Stefan erst in zwei, drei Jahren erreichen», meint Bayer-Trainer Michael Skibbe, «er ist also eine Investition in die Zukunft.»
Und die Perspektive ist für Stefan Kießling, der seinem Vorbild Jürgen Klinsmann recht ähnlich sieht, nicht schlecht. In der U21- Nationalmannschaft hat er bereits einen Stammplatz (15 Partien/4 Tore), und auch bei Bundestrainer Joachim Löw steht er längst auf dem Zettel. Schon dessen Vorgänger Klinsmann soll darüber nachgedacht haben, Kießling in den WM-Kader zu holen. «Ich würde lügen, wenn ich behaupte, ich wäre bei so einem Ereignis nicht gerne dabei gewesen», bekennt der 1,91 Meter große Stürmer. «Den Kopf habe ich mir darüber dennoch nicht zerbrochen.»
Der Sprung in die Nationalmannschaft bleibt sein großes Ziel. «Ich sehe es als Ansporn und hoffe, dass der Anruf des Bundestrainers kommt», sagt Kießling. «Die EM 2008 habe ich schon im Hinterkopf, erst recht die WM 2010.» Die beste Empfehlung sind dafür Tore, die ihm momentan nicht recht gelingen wollen. «Ich bin unkompliziert und ich kann abschalten», meint er, «da mache ich mir keine Sorgen.» (dpa)
http://www.rundschau-online.de…ikel.jsp?id=1162471857347