Die Super-Optimisten
Leverkusens Trainer Skibbe bleibt sich treu und redet vor dem Uefa-Cup-Match in Bukarest eine schwache Leistung stark.
VON STEPHAN KLEMM
Leverkusen - Nach dem Spiel am Sonntag greift ein fleißiger Aktionismus, er betrifft alle Ebenen. Zunächst werden die Spieler aktiv, sie fliehen grußlos in die Kabine. Gerade haben sie Energie Cottbus 3:1 bezwungen, zuvor gab es drei Niederlagen in Folge, und bei der bis dato letzten, dem 0:1 im Uefa-Cup gegen Tottenham, fühlten sich die Profis von den Fans mit zu viel Häme bedacht. Kritik von den Rängen finden sie ja eigentlich nicht unbedingt schlecht, aber Beleidigungen wollen sie auch nicht ertragen, Mittelfeldspieler Simon Rolfes sagt: "Wir fanden es nicht gut, wie die Fans uns behandelt haben." Gehandelt haben kurz darauf auch Rudi Völler und Michael Skibbe.
Der Sportchef und sein Trainer agierten erwartbar, aber dennoch erstaunlich genug. So richtig gut war das Spiel ihrer Mannschaft nun wirklich nicht, gegen einen alles in allem braven Gegner halfen zwei Konter und ein Fernschuss zu drei Toren und drei Punkten. Und trotzdem waren sich Völler und Skibbe einig, eine mehr oder weniger Weltklasse-Leistung ihres Teams gesehen zu haben.
Völler meinte: "Kompliment an Michael Skibbe, wie er es geschafft hat, die Mannschaft einzustellen. Das war toll." Und weil alles so toll war, ist ja auch klar, dass nun wieder in anderen Sphären gedacht werden kann: "Wir haben den Anschluss nach oben geschafft." Skibbe wiederum ist einigermaßen berüchtigt für seine Schönfärberei, in seiner typischen Lob-Diktion hatte er eine "tolle Reaktion" gesehen, seine Mannschaft habe "klasse gespielt". Jetzt sei man der "Abstiegsspirale" entkommen. Geht es nach Skibbe, funktioniert ab sofort alles perfekt. Als hätte es in dieser Saison nicht - gemessen an den eigenen Ansprüchen - furchtbare Rückschläge mit fürchterlichem Fußball und Pleiten in Serie gegeben, sieht sich Bayers treuer Super-Optimist plötzlich nicht nur "konkurrenzfähig in der Bundesliga", sondern auch "international". Das will er schon am Mittwoch im Uefa-Pokal unter Beweis stellen, wenn seine Elf bei Dinamo Bukarest anzutreten hat.
In Rumänien geht es letztlich um alles, nach zwei Spielen in der Gruppenphase hat Leverkusen gerade mal einen Punkt gewonnen, nicht die beste Ausgangsposition in einer Fünfer-Gruppe zwei Spiele vor Schluss. Dinamo ist derzeit Rumäniens Stolz, in 17 Saisonspielen hat das Team 46 Punkte gesammelt. Und im Uefa-Pokal scheint nach einem Sieg gegen Besiktas Istanbul und einem Remis beim FC Brügge der Weg in die nächste Runde vorgezeichnet. Aus Bukarest will Skibbe trotzdem "mit aller Macht einen Punkt" mitnehmen, um dann im letzten Gruppenspiel "mit einem Sieg gegen Besiktas" doch noch die nächste Runde zu erreichen.
In der Theorie hört sich das alles nicht schlecht an, doch die Frage ist, ob Skibbes Elf wirklich so stark ist, wie sie von ihm geredet wird. Gegen Cottbus brauchte sie lange, um ins Spiel zu kommen, und nachdem Munteanu plötzlich den Führungstreffer von Sergej Barbarez ausgeglichen hatte, sah es düster aus für Skibbes neue Bundesliga-Giganten. Rolfes' Fernschuss und Woronins 3:1 waren letztlich spielentscheidend, eine Wende, die vor allem der starken Leistung von Leverkusens Außenspielern Paul Freier und Athirson zu danken ist. Skibbe will dieses Erfolgserlebnis konservieren: "Wir sind so stark, dass wir eine Serie starten und uns vorne ranpirschen können."
Dann wird die Annäherung mit den Fans auch gewiss wieder funktionieren. Die Kabinen-Flucht vom Sonntag soll ohnehin eine einmalige Aktion gewesen sein.
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