Michael Skibbe gilt als sehr ausgeglichener Zeitgenosse. Am späten Mittwochabend aber wirkte der Trainer von Bayer 04 Leverkusen hochgradig explosiv. Erst hätte er gegen Ende der 1:2 (1:1)-Pleite im Uefa-Cup-Gruppenspiel bei Dinamo Bukarest fast die gegnerische Bank gestürmt - Grund waren unnötiges Zeitspiel und Provokationen der Dinamo-Profis. Dann erklärte er verärgert: „Es ist uns zum wiederholten Male gelungen, einen Gegner stark zu machen.“ Nach Mitternacht, als die Spieler und auch Sportdirektor Rudi Völler das Büfett im Mannschaftshotel längst verlassen hatten, saß Skibbe mit seinem Stab zusammen und diskutierte mit hochrotem Kopf.
Die Gründe für die Niederlage werden sie relativ schnell analysiert haben. „Wenn man so viele Fehler im Spielaufbau macht wie wir, dann bleibt nichts als die Niederlage“, schimpfte Skibbe. Nach der Führung durch Sergej Barbarez (20.) hatte noch alles ganz gut ausgesehen, bis Ahmed Madouni vor dem eigenen Strafraum einen unmotivierten Fehlpass spielte und prompt der Ausgleich durch Claudiu Niculescu (36.) fiel. In der 75. Minute war es die Passivität von Gonzalo Castro, Madouni und Juan, die Niculescu seinen vierten Uefa-Cup-Treffer und den Rumänen das Weiterkommen in der Gruppe B bescherte. Das Verrückte an diesem Abend war, dass auch Bayer noch die Möglichkeit hat, im Uefa-Cup zu überwintern. Ein Sieg gegen Besiktas Istanbul am 14. Dezember würde Skibbes Mannschaft in die nächste Runde katapultieren.
Traurig war das Ganze, weil die Niederlage eben nicht nur Bayer sondern den gesamten deutschen Vereinsfußball schmerzt. In der Uefa-Fünfjahres-Wertung sitzen die Rumänen den Bundesliga-Clubs im Nacken. Der feste zweite Champions-League-Platz in der Saison 2008 / 09 steht auf dem Spiel, nach dieser Pleite mehr denn je. „Der Vereinsfußball ist nicht in der Krise“, stellte Skibbe trotzdem fest, „der HSV und wir schwächeln halt.“ Gegen Istanbul soll das internationale Schwächeln ein Ende haben. „Ich erwarte einen Sieg“, machte Skibbe unmissverständlich klar. Er musste aber auch eingestehen: „Wir spielen derzeit einfach nicht auf internationalem Niveau.“ Erstmals kritisierte der sonst so smarte Trainer seine Spieler in aller Öffentlichkeit, zum Beispiel den zur 46. Minute für Andrey Voronin eingewechselten Stefan Kießling: „Er hat die Bälle nicht halten können. Aber bei Andrey war das in der ersten Hälfte noch viel schlechter. Der hatte nur zwei bis drei Bälle und konnte die auch nicht behaupten.“
Zum ersten Mal gestand Skibbe auch ein, dass „wir uns von den Abgängen von Clemens Fritz und Jens Nowotny nicht erholt haben.“ Stattdessen spielt neben Juan der ehedem für die Ersatzbank gekaufte Ahmed Madouni in der Innenverteidigung. Auf die Frage, ob dem Algerier vielleicht die Uefa-Cup-Tauglichkeit fehle, konterte Skibbe: „Karim Haggui hatte die Grippe. Ich habe doch keine Alternativen.“ Neuzugänge in der Winterpause mochte Skibbe dennoch nicht fordern. Vielmehr setzt er auf den Langzeitverletzten Alexander Meyer. Der linke Verteidiger kam im Sommer vom MSV Duisburg, laboriert seit dem Sommer aber an einer komplizierten Fußverletzung. Aber das ist Zukunftsmusik. Das nächste Schlüsselspiel steigt schon morgen und in Bielefeld (15.30 Uhr / arena live) müssen es die „bewährten“ Kräfte richten.