VON CHRISTIAN OEYNHAUSEN, 15.12.06, 21:32h
Rudi Völler, der Sportdirektor von Bayer 04 Leverkusen, hat in dieser Saison schon so viele mäßige Vorstellungen seiner Mannschaft ertragen müssen, dass man ihm einige Momente der Euphorie nach dem 2:1 über Besiktas Istanbul gönnen kann. „Das Wichtigste war, vor einem großen Publikum im Fernsehen gezeigt zu haben, dass wir noch da sind, nicht in die Graue-Maus-Schublade gehören und noch immer begeistern können“, so sprach Völler nach dem Spiel. Und angesichts der günstigen Gelegenheit erwähnten die Bayer-04-Verantwortlichen auch dieses gern: Dass nämlich Leverkusen wohl eher geringe Schuld träfe an der Misere des deutschen Vereinsfußballs, die ausgedrückt wird in der Uefa-Fünfjahreswertung. Wer war denn in den letzten fünf Jahren fast jedes Mal international dabei und hat für Deutschland Punkte gesammelt? Und wer ist 2007 noch dabei? Die Bayern, Werder Bremen und: Leverkusen. Kein Schalke 04, kein HSV, nicht Dortmund, nicht Hertha, nicht Stuttgart. Wer sind hier die grauen Mäuse?
Man kann aber die Selbsteinschätzung nicht nur vom Versagen der anderen abhängig machen. Es gibt auch eine andere Rechnung. Die geht so: Bayer 04 ist als Gruppendritter mit nur einem Sieg aus vier Partien weitergekommen und hatte Glück, überhaupt noch das Endspiel gegen Istanbul geschenkt zu bekommen. Leverkusen hat als schlechtester der acht Gruppendritten die K.-o.-Phase erreicht und sich im Quervergleich von Fußballriesen wie SV Zulte Waregem und AC Livorno abhängen lassen. Stellt man die 16 verbliebenen Champions-League-Teilnehmer vor die 32 restlichen Uefa-Cup-Teams, dann hat sich Leverkusen als Nummer 48 so eben durchgemogelt. Keine graue Maus?
Bayer 04 hat gegen Istanbul endlich wieder gezeigt, dass die Vorstellung, die die Klubführung vom Fußball ihres Teams hat, noch in Bezug zu den Möglichkeiten der Mannschaft steht. Im Haus der Träumereien ist wieder ein Boden der Tatsachen eingezogen worden. Mehr nicht.
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