Ramelow: "Nicht jeder hält dem Druck stand"
RP) Carsten Ramelow, Vizepräsident der Vereinigung der Vertragsfußballer, erklärt in einem aktuellen Interview mit der Rheinischen Post, dass der Status Bundesliga-Profi mit vielen Hürden verknüpft ist.
Herr Ramelow, sehen Sie die Gefahr, dass der Profifußball durch die immer weiter fortschreitende Kommerzialisierung einmal gefährdet sein könnte?
Carsten Ramelow: "Ich kann mir nicht vorstellen, dass es da in irgendeiner Weise Probleme geben könnte. Es wird immer wieder auch Skandale und Randale geben. Klar, das ist nicht schön. Aber es hat sich gezeigt, dass es trotzdem immer weiter geht."
Wenn Fußballer von Fans aufgefordert werden, sich nach einem Spiel am Bus in einer aufgewühlten Atmosphäre für Misserfolge zu rechtfertigen - denken Sie da manchmal, dass durch solche Vorgänge die Grenze des Zumutbaren überschritten wird?
Ramelow: "Es kommt darauf an, was für Fans es sind, da muss man etwas differenzieren. Direkt nach einem Spiel ist es schon schwierig, weil da auch Fans stehen, die es einfach nicht kapieren wollen. Jene Fans dagegen, die wirklich zum Verein und zu den Spielern stehen, halten schon eine Menge aus. Man hat es beim Hamburger SV gesehen, als Trainer Thomas Doll zu den Anhängern ging: Es ist einfach schwierig. Die Fans sind aufgebracht und können die Situation nicht verstehen."
Werden Sie auch mal beschimpft?
Ramelow: "Wenn man sich nach einem schlechten Spiel der Kurve nähert und angepöbelt, bespuckt wird - da kommt man mit Fans selten auf einen Nenner."
Muss man in solchen Situationen an die Kurve gehen?
Ramelow: "Es ist jedem selbst überlassen. Aber man muss sich in solchen Situationen einfach stellen. Das gehört dazu."
Fühlen Sie sich dabei manchmal sogar bedroht?
Ramelow: "So weit ist es noch nicht. Gerade in Leverkusen haben wir es sehr ruhig. In München, Hamburg oder Berlin, wo Menschenmassen beim Training stehen, ist es schon extrem."
Wie sehr wird Ihr Beruf dadurch zu einer psychischen Belastung, dass Spieler praktisch immer im Fokus der Öffentlichkeit stehen und auf Schritt und Tritt beobachtet werden?
Ramelow: "Man darf das nicht unterschätzen. Es gibt einige Beispiele dafür, dass Spieler dem Druck nicht standhalten. Man ist jederzeit präsent und muss versuchen, damit umzugehen. Ich habe das sehr gut hinbekommen. Ich war auch einer, der viel einstecken musste. Wenn mich das umgehauen hätte, wäre ich längst nicht mehr dabei. Da würde ich vielleicht in einer anderen Liga spielen, wo die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit nicht so groß ist."
Wünschten Sie mehr intime Räume?
Ramelow: "Nein, ich kann mich da nicht beklagen. Wenn ich in Leverkusen irgendwohin gehe, muss ich damit rechnen, dass ich angesprochen werde. Es ist mein Job."
Brauchen Profis eine bessere Ausbildung in Öffentlichkeitsarbeit?
Ramelow: "Das wäre nicht verkehrt. Die VdV bietet zum Beispiel Medientraining an. Dort werden gewisse Dinge, etwa wie man sich vor die Kamera stellt, nachgespielt, und anschließend wird darüber gesprochen. Es ist gut, wenn man auf ein Interview vorbereitet ist."
Wie viele junge Profis sind am Anfang Ihrer Karriere schlecht beraten?
Ramelow: "Sobald sie aus der Jugend herauskommen, stehen die Berater Schlange. Gerade die jungen Spieler sollten darauf vorbereitet werden, damit sie wissen, auf was sie sich einlassen."
Bietet die VdV jungen Spielern Beratungen zu diesem Thema an?
Ramelow: "Nein. Aber es wäre eine Überlegung, so etwas anzufangen und sie auf einige Dinge hinzuweisen. Dass sie nicht gleich den Ersten nehmen, der ihnen an den Hals springt. Ich denke, dass man vielleicht schon in der Jugend mit einer gewissen Aufklärung starten sollte."
Sie wurden Nationalspieler mit 24. Ist es bedenklich, wenn immer häufiger junge Spieler schon nach wenigen Bundesliga-Einsätzen in den Kader des Nationalteams berufen werden?
Ramelow: "Viele Spieler sind extrem schnell in der Ersten Liga eingeschlagen, und genauso schnell ging es dann auch wieder zu Ende. Deswegen sollte man schon ein bisschen auf die Perspektive der Spieler achten und ihnen eine gewisse Zeit geben, die Leistungen zu bestätigen. Es gibt Beispiele wie Paulo Rink und Zoltan Sebescen, von denen man im Nachhinein sagen kann, dass es nicht gut war."
Es ist viel darüber geredet worden, dass der Fußball Anstöße durch andere Sportarten benötigt.
Ramelow: "Ich verfolge ein wenig den Basketball, die amerikanische Profiliga NBA und unsere Leverkusener Giants. Es ist der Teamgeist, den man mitnehmen kann. Wie die Spieler gerade im Basketball miteinander umgehen, das geht mir beim Fußball ein bisschen verloren."
Gibt es im Fußball Regeln, die Sie gern ändern würden?
Ramelow: "Man sollte den Fußball im so belassen, wie er ist. Fehlentscheidungen gehören auch zum Sport. Aber wenn man beim Torjubel das Trikot auszieht und dafür die Gelbe Karte bekommt, halte ich das für Schwachsinn, kleinkariert. Show gehört doch dazu."