Schnurgerades Spiel in magischen Unterhosen
VON RAPHAEL HONIGSTEIN, 13.02.07, 21:33h
London - Als Roman Abramowitsch sich im Sommer 2003 den FC Chelsea aneignete und sofort hundert Millionen Euro in neue Spieler investierte, zweifelte die Fußballwelt noch, ob sich der Erfolg so einfach kaufen ließ. In England wurde nur entschieden genickt. Man hatte das alles vor gar nicht langer Zeit ja schon erlebt. 1991 übernahm der Stahlmagnat Jack Walker seinen Lieblingsverein, die Blackburn Rovers, in der zweiten Liga und züchtete ihn mit Rekord-Transfers zum Premier-League-Spitzenteam hoch. Vier Jahre später wurde man vor dem damals übermächtigen Manchester United Meister. Dem Ende des 19. Jahrhunderts sehr erfolgreichen Traditionsverein war das zuletzt vor 81 Jahren gelungen; seit den sechziger Jahren, als die Beatles melancholisch von „4000 Löcher(n) in Blackburn, Lancashire“ sangen („A Day in the Life“), hatte man von der 110 000-Einwohnerstadt im postindustriellen Norden im Grunde gar nichts gehört.
Die glorreiche Walker-Ära währte nicht lange. Nach dem Abschied von Trainer Kenny Dalglish brach die um Stürmer-Star Alan Shearer formierte Mannschaft auseinander. Die Rovers stiegen 1999 als bisher einziger Premier-League-Champion ab. Ein Jahr später verstarb Walker. Blackburn spielt zwar seit 2001 wieder in der Oberklasse, doch mit dem Klubmäzen wich auch der Glanz aus dem Ewood Park. Die Gelder sind nun entschieden knapper, und mit einem Zuschauerschnitt von 21 000 sitzt man im grauen Liga-Gros fest, an dem der Übernahmerausch vorbeizieht: Die Rovers haben zu wenig Fans und keinen Markennamen.
Dass Trainer Mark Hughes, 43, die chronisch vom Abstieg gefährdete Truppe in der vergangenen Saison mit hartem, schnurgeradem Spiel auf den sechsten Tabellenplatz führte, kam einer Sensation gleich. Auf der Insel gab es dafür aber wenig Applaus: die Mannschaft ist wegen ihrer mitunter überharten Gangart als Blackeye Rovers - „blackeye“ ist ein blaues Auge - verschrien. Die Spitzenteams nahmen meist wenig Punkte, aber jede Menge Blessuren aus Lancashire mit. Hughes, der seine größten Erfolge als Stürmer von Manchester United feierte und 1987 auch eine Saison für den FC Bayern spielte, wehrt sich heftig, aber erfolglos gegen den schlechten Ruf. „Das ist ein Klischee“, behauptet er. „Sicher, als Spieler habe ich schon mal Leute getreten. Aber ich habe noch nie meine Spieler dazu aufgefordert.“
Blackburns Uefa-Cup-Ausflüge sind für Hughes die beste Gelegenheit, sich für höhere Aufgaben zu empfehlen. Gegen Leverkusen wird es heute aber nicht einfach - Blackburn hat Personalsorgen. Die zwei wichtigsten Stammspieler im Mittelfeld fehlen verletzt; der kreative Schwede Morten Gamst Pedersen und Robbie Savage, der blonde Spielzerstörer. Die Neuverpflichtungen Bruno Berner (FC Basel) und Christopher Samba (Hertha Berlin) sind im Uefa-Pokal nicht spielberechtigt. In der Abwehr hat sich der Winterpausen-Wechsel von Kapitän Lucas Neill zu West Ham United spürbar negativ bemerkbar gemacht; zudem fällt auch noch der holländische Verteidiger André Ooijer aus. Der aus Mannheim stammende Deutsche Sergio Peter, 20, wird eher nicht eingesetzt.
Stürmer Benni McCarthy aus Südafrika ist zur Zeit der einzige Mann in Bestform. Bayer sollte aber auch ein Auge auf David Bentley werfen. In Ermangelung der Walkerischen Stahlmillionen hat der englische U-21-Nationalspieler ein neues Erfolgsrezept entdeckt: weiche Unterwäsche. „Ich werde in Leverkusen wieder in meiner magischen Unterhose auflaufen“, kündigt Bentley an, „die hat in Europa bisher geholfen“. An dieser Logik lässt sich nichts aussetzen: Die Rovers sind im laufenden Wettbewerb noch ungeschlagen.
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