Fundamentalist in eigener Sache

  • Fundamentalist in eigener Sache
    VON CHRISTIAN OEYNHAUSEN, 10.01.07, 07:06h
    Bild: Kadlec
    Sergej Barbarez im Trainingslager.


    Der Ex-Hamburger kann sich vorstellen, nach seiner Karriere als Trainer zu arbeiten.


    Rom - Es ist keine Frage für Sergej Barbarez: Miroslav Klose hat Glück gehabt, dass Barbarez eine Menge Pech hatte in der Vorrunde. Sonst würde der Bremer in der Torjägerliste nicht mit 13 Treffern neun Tore mehr als der Leverkusener haben. „Ich habe normalerweise kein Problem mit Effektivität und brauche nicht viele Chancen. Sonst hätte ich fast so viele wie Klose“, sagt der Bosnier über seine Hinrundenbilanz. „Es könnte besser sein. Und, was mich betrifft: Es müsste besser sein“ - im Trainingslager in Rom findet der 33-Jährige selbstkritische Töne nach seinem ersten halben Jahr in Leverkusen. Für seinen Trainer ist die Formkurve des Stürmers deckungsgleich mit der seiner Mannschaft: „Unser Tabellenplatz sagt aus, was für ihn zutrifft: Gut reingekommen, dann kein Glück gehabt. Sonst hätte er noch früher den Halt gefunden, den er am Ende hatte“, sagt Michael Skibbe. Derart prägend für sein Team war Barbarez schon früher: „Hat er einen Hänger, hat ihn die ganze Mannschaft“, sagte Trainer Kurt Jara beim Hamburger SV über ihn.


    Ohne großes Aufsehen hat Barbarez in der Winterpause über seine Zukunft entschieden. Sein Vertrag beinhaltete eine im Herbst viel diskutierte Klausel, mit der er im Sommer vorzeitig aus dem Zweijahresvertrag bei Bayer 04 hätte aussteigen können. „Ich bin froh, dass er noch ein Jahr bei uns ist“, sagt Trainer Skibbe, der den erfahrenen Bosnier als Rückgrat der recht jungen Bayer-Elf braucht: „Er ist nicht aus den Socken zu kippen. Wenn er zweimal hintereinander schlecht spielt, knickt er nicht ein, wie es jungen Spielern passiert. Er versucht beim dritten Mal wieder den schwierigen Pass.“


    Das sagt sich immer leichter, als es getan ist. In einem schlecht laufenden Spiel vor einem bereits murrenden Publikum den dritten oder vierten riskanten Ball zu versuchen, dazu gehört eine fundamentale Überzeugung von den eigenen Fähigkeiten. Führungsspieler werden Spieler mit diesen Eigenschaften gern genannt und als solcher versteht sich Barbarez, ohne dass man ihn dazu drängen muss. In Leverkusen ist er zum Chef auf dem Platz geworden, der in jeder Beziehung auffällt. Mit schönen Pässen und Übersicht, mit Torgefährlichkeit, mit Temperamentsausbrüchen gegenüber Mitspielern, mit Schimpftiraden vor dem Schiedsrichter. Und an schlechten Tagen mit provozierendem Phlegma. „Fußball ist Emotion. So bin ich auf dem Platz, daran wird sich nichts mehr ändern. Es gibt nur diesen Sergej Barbarez“, sagt der 35-Jährige. Diesen Barbarez wollten sie im Frühjahr beim HSV nicht mehr. Das neue Angebot gefiel Barbarez nicht, der Mann aus Mostar kam ablösefrei nach Leverkusen. „Ich wusste, was ich tue, ich habe wochenlang überlegt.“ Paradoxerweise hat sein Ex-Klub seit seinem Abgang nur noch ein Bundesligaspiel gewonnen - in Leverkusen.


    Barbarez hat entschieden, bis 2008 in Leverkusen zu bleiben. Danach will er seine aktive Laufbahn beenden und nach Hamburg zurückkehren. Es habe keinen Sinn gemacht, Frau und Kinder mit nach Leverkusen zu nehmen, sagt er. Auch wenn ihm dies gelegentlich als mangelnde Identifikation mit Bayer 04 ausgelegt wurde. „Medien“, sagt Barbarez zu solchen Sachen schulterzuckend.


    Barbarez will nach dem Karriereende weiter im Fußball arbeiten, eventuell als Trainer: „Man muss sich finden.“ Hamburg ist für Barbarez zur zweiten Heimat geworden. Sechs Jahre hat er dort gespielt, war Torschützenkönig der Bundesliga 2001 (22 Tore) und gewann 2003 den Ligapokal. Letzteres wird selten als Titel voll mitgezählt. Aber andere sind Barbarez bisher verwehrt blieben. Dafür hätte er eines der Angebote von Bayern München annehmen müssen, die er mal hatte. Ein Titel mit Leverkusen, das wird wohl knapp. Und auch die Torjägerkrone ist in dieser Saison nicht mehr zu erreichen: „Klose ist zu weit weg.“




    Quelle KStA