Völler: Wir müssen brutal durchgreifen!

  • Völler: Wir müssen brutal durchgreifen (03.02.2007)



    Von Robin Halle


    SPORT BILD: Herr Völler, wir fragen Sie mal als Fußballfan: Was erwarten Sie von den verbleibenden 15 Spielen der Rückrunde?



    Rudi Völler: Ich erwarte, dass diese unsäglichen Schwalben endlich aufhören. Ich hasse es, wenn sich Spieler so theatralisch fallen lassen wie Wolfsburgs Diego Klimowicz kürzlich in Frankfurt. So was kann man den deutschen Fußballfans nicht länger zumuten, da muss man brutal druchgreifen.


    Und wie?


    Wir müssen dahin kommen, dass Spieler nachträglich für solche Aktionen bestraft werden. Eine brutale, lange Sperre. In England steinigt man die Spieler, wenn sie so was machen.


    Was stört sie noch?


    Die Unsportlichkeit bei Verletzungen. Es passiert jede Woche das gleiche. Wenn ein Spieler auf der Erde liegt, schießt ein anderer den Ball ins Aus. Dann klatschen alle. Aber keiner registriert, dass der Ball, wenn er zum Gegner zurückgeworfen wird, meistens 30 Meter nach vorne geschossen wird. Dabei ist das unsportlich hoch drei.


    Wie kann man das verhindern?


    In dem man den Ball an der gleichen Stelle weiterspielen muss. Das muss Pflicht werden! Die Trainer aller 18 Bundesligisten und aller Zweitligisten müssen sich mal zusammen setzen und darüber reden. Diese Unsportlichkeiten stören mich als Fußballfan kolossal.


    Bayern Manager Uli Hoeneß hat in SPORT BILD bereits ein Bündnis gegen den Sittenverfall in der Liga angeregt. Bringt das etwas?


    Ich war bis vor kurzem selbst in einer DFL-Komission mit Trainers und Managern. Vor daher weiß ich, wie schwer es ist, Dinge zu verändern.


    Brauchen wir neue Regeln?


    Zwei Dinge sind wichtig. Erstens: Viel härtere Strafen für alle diejenigen, die bewusst betrügen oder das Spiel bewusst verzögern. Zweitens: Ich will, dass die Trainer ihren Spielern ganz klar sagen: Leute, so geht das nicht! Wie in England. Man sieht doch an Aliaksandr Hleb und Tomas Rosicky, was alles möglich ist. Die lagen hier ständig auf dem Boden und haben sich dreimal gewälzt, um Zeit zu schinden. In England fallen sie nicht. Außerdem ...


    Ja, bitte.


    Mich regt auch auf, dass unsere Schiedsrichter viel zu früh abpfeifen. In Italien lässt jeder Schiedsrichter fünf, sieben oder zehn Minuten nachspielen, wenn das Spiel verzögert wurde. Das ist klasse. Bei uns traut sich das kein Schiedsrichter. Drei Minuten sind das höchste der Gefühle. Die effektive Spielzeit ist in Deutschland viel zu kurz.


    Sollte ein Oberschiedsrichter über die Spielzeit wachen?


    Nein. Der vierte Mann kann das wunderbar machen. Er soll mitstoppen, wie viel Zeit verloren geht, wenn ein Torwart beim Abschlag zu viel Zeit vertrödelt. Oder ein Feldspieler liegen bleibt. Wenn zehn Minuten zusammenkommen, dann spielen wir eben 100 Minuten. Wir werden das bald wieder erleben, wenn ein italienischer Schiedsrichter in der Champions League so lange laufen lässt. Dann wundern sich alle, aber ich sage: Das ist genau richtig so!


    Haben Sie noch eine Idee?


    Ich schließe mich Franz Beckenbauer hundertprozentig an: Wir brauchen eine 6-plus-5-Regel. Oder 5 plus 6, egal. Aber es müssen mehr deutsche Spieler in der Startformation stehen. Das ist für den deutschen Fußball und die Nationalmannschaft ganz wichtig. Auch für den internationalen Fußball ist es nicht glücklich, wenn Arsenal London mit elf Ausländern aufläuft.


    Wenn das alles so kommt, könnten Sie sagen, Sie hätten den Fußball revolutioniert ...


    Das sehe ich nicht so. Sie haben mich nur gefragt, was mich als Fußballfan stört. Und das, was ich gesagt habe, stört mich wirklich.


    Reden wir über die Qualität der Bundesliga. Leverkusen hat als einziger deutscher Verein die Gruppenphase im Uefa-Cup überstanden. Woran liegt das?


    Wir müssen anerkennen, dass uns andere Ligen voraus sind. Die Engländer haben alle vier Mannschaften in der Champions League durchgebracht. Jede englische Mannschaft hat ihre Gruppe im Uefa-Cup gewonnen. Das ist kein Zufall. Der englische Vereinsfußball ist europaweit führend, mit Abstand sogar. Dann kommen die Italiener, die Spanier, dann wir, dann die Franzosen.


    Aber, noch mal. Woran liegt das?


    In erster Linie am Geld. In diesen Ligen wird viel mehr bezahlt als bei uns. Die besten Spieler wechseln dorthin. Das hat Bayern München mit Ruud van Nistelrooy erlebt.


    Jetzt wollen die Bayern dagegensteuern und 30 Millionen Euro für einen Topstar ausgeben. Ist das der richtige Weg?


    Ja. Wenn die Bayern viel Geld für Owen Hargreaves bekommen, ist es wirtschaftlich vertretbar, auch 30 Millionen für einen neuen Mann auszugeben. Wir sollten das nicht kritisieren, im Gegenteil: Wir sollten Bayern München dankbar sein. Die Bundesliga braucht Topstars.


    Wo steht die deutsche Nationalmannschaft ihrer Meinung nach?


    Da sind wir auf dem richtigen Weg. Bundestrainer Jogi Löw hat das Glück, dass eine junge Generation von Spielern heranwächst, die richtige gute Leistung bringt. Das war bei mir 2000 anders. Da waren acht Spieler in der U21 dabei, die im Verein nicht spielten. Heute gehört jeder U-21-Spieler zum Stamm. Der Unterbau ist da. Wir gehören auf jeden Fall zu den Top 5 der Welt. Bei der Europameisterschaft im kommenden Jahr müssen wir uns vor keiner Nation verstecken.


    Thema Leverkusen. Was erwarten Sie von der Mannschaft in der Rückrunde?


    Wir hoffen, dass wir mehr Punkte holen als in der Hinrunde. Das würde bedeuten, dass wir in den Uefa-Cup kommen.


    Sie sagen hoffen ...


    An Bayern, Bremen und Schalke kommen wir nicht mehr ran, die sind auch besser als wir. Stuttgart sehe ich am Ende nicht in der Champions League. Wir haben eine Mannschaft, die zwischen Platz 4 und Platz 8 landen wird. Deshalb sage ich jetzt nicht: Der Uefa-Cup ist ein Muss. Dass wir mittelfristig den Abstand nach oben verkürzen wollen, ist klar.


    Wo sehen Sie das größte Potenzial von Bayer 04?


    Bei uns ist das Makabere, dass wir viele Chancen herausspielen, aber zu wenig Tore machen. Da ist bei Stefan Kießling, Andrej Voronin und Sergej Barbarez noch Luft nach oben. Generell ist es aber gut, dass wir uns diese Torchancen überhaupt erspielen.


    Sergej Barbarez könnte am Saisonende Schluss machen oder seinen Vertrag per Option um ein Jahr verlängern. Wissen Sie schon, wie er sich entscheidet?


    Ja. Wir haben gerade gesprochen. Er wird weitermachen.


    Sie haben sich nach Dortmunds Christoph Metzelder erkundigt. Wollen Sie ihn ernsthaft verpflichten?


    Wir haben über ihn nachgedacht, wie viele andere Vereine auch. Ich vermute aber, dass er – wenn er nicht in Dortmund bleibt – eventuell ins Ausland wechselt.


    Wie groß ist das Interesse an Kölns Lukas Sinkiewicz?


    Es wäre falsch, kein Interesse zu zeigen. Es gibt Anfragen für Juan, er hat eine Ausstiegsklausel. Wenn er geht, müssen wir gewappnet sein.


    Gibt’s eine Tendenz, ob Roque Junior bleiben darf?


    Nein. Jetzt zählt erst mal, dass er fit wird. In zwei, drei Monaten schauen wir, ob er spielt – und welche Leistung er bringt. Roque weiß, dass er jetzt am Scheidepunkt seiner Karriere steht.


    Noch mal Themenwechsel. Was sagen Sie zur Entwicklung in Köln und Christoph Daum?


    Bevor ich dazu etwas sage, will ich erst mal euch Journalisten etwas fragen.


    Was denn?


    Ihr habt doch alle vor der Saison geschrieben, dass Köln den besten Kader seit Jahren hat. Jetzt fragt ihr ständig, wie der Daum mit diesem Kader zurecht kommen soll. Hey, das kann nicht sein! Bleibt doch bei eurer Meinung. Mit dem Kader kann Christoph aufsteigen. Die Qualität ist da. Man tut Michael Meier und Wolfgang Overath völlig Unrecht, wenn man diesen Kader kritisiert.


    Also liegt es an Daum, dass der FC so mies da steht?


    Das habe ich nicht gesagt. Die Kölner hatten auch viel Pech. Helmes lange verletzt, Sinkiewicz – das hat Punkte gekostet.


    Darf man sich denn so präsentieren, wie es Daum in den vergangenen Wochen getan hat?


    Er kann doch nichts dafür, dass dieser riesige Medienrummel um ihn gemacht wird.


    Das heißt, Sie würden als Verantwortlicher von Bayer Leverkusen auch Leserfotos von Ihren Kindern in der Badewanne machen und an die BILD-Zeitung schicken?


    Schöne Fangfrage. Das ist nun mal die Art von Christoph. Ob das jedem gefällt oder nicht.


    Mann, was sind Sie plötzlich vorsichtig ...


    Natürlich sind ein paar Sachen gelaufen, bei denen ich mich geschüttelt habe. Da denke ich zum Beispiel an diese Pressekonferenz im Krankenhaus. Aber ich möchte Köln und auch Christoph Daum in der ersten Liga haben. Ganz ehrlich, das ist meine Meinung. Ich freue mich auf die Derbys, beide Vereine brauchen sie.


    Wann unterschreiben Sie ihren neuen drei Jahres-Vertrag?


    Die Richtung ist besprochen, es geht nur noch um Details. Ich soll für die Bayer AG ein paar Sachen mehr tun, vor allem in der Repräsentanz. Was genau, das muss jetzt geklärt werden.


    Steht im Vertrag auch, dass Sie auf der Bank sitzen müssen, wenn Trainer Michael Skibbe mal entlassen wird?


    Es ist doch klar, dass ich helfen würde, wenn der Verein in Not ist. Das habe ich schon zweimal gemacht. Aber ich bin mir sicher, dass Michael Skibbe noch viele Jahre erfolgreich in Leverkusen arbeiten wird.


    Sie haben die Vertragsgespräche lange herausgezögert. Gab es tatsächlich Anfragen anderer Klubs, Frankfurt zum Beispiel?


    Nein, da war nichts dran. Für mich war nur die Frage: Arbeite ich weiter bei Bayer als Sportdirektor oder übernehme ich nochmal ein Traineramt.


    Gab es Anfragen aus der Bundesliga?


    Nein. Das waren Verbände, die vor oder während der WM ihre Trainer gefeuert hatten. Fragen Sie nicht, welche. Dazu sage ich nichts. Ich werde jetzt in Leverkusen bis 2010 verlängern, weil ich Lust auf den Job habe. Und ich werde meinen Vertrag auch erfüllen.


    Es heißt immer, dass sich die Bayer AG mittelfristig aus dem ...



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