VON GÜNTER MÜLLER, 15.02.07, 10:54h, AKTUALISIERT 15.02.07, 10:56h
„Eines ist doch klar, Randale bei Fußballspielen sind kein neues Phänomen.“ Stefan Thomè, Leverkusens Fanprojekt-Leiter, möchte die schrecklichen Szenen nicht verharmlosen, die sich vor einigen Tagen im italienischen Catania bei einer Partie der erste Liga und am letzten Wochenende in Leipzig bei einem Bezirksliga-Pokalspiel ereigneten. Das Verhalten sei nicht zu entschuldigen, „aber wir können nicht davon ausgehen, dass es bei allen Fußballspielen zu 100 Prozent friedlich zugeht.“ Fußball, so meint er weiter, „ist halt die wohl attraktivste Plattform, um Aufmerksamkeit zu bekommen.“
Die Situation in Italien sei nach Experten-Meinung im Übrigen völlig anders als die hiesige einzuschätzen. Dort werde stets über neue Gesetze gegen gewalttätige Fans gesprochen, Dialog oder gar Präventionsarbeit im Sinne des „deutschen Modells der Fanbetreuung“ stehe offenbar nicht auf der Tagesordnung. Und speziell in Catania sei das Maß an Gewalttätigkeit ein generelles Problem, nicht nur beim Fußball. Dort gebe es viele soziale Konflikte und gerade die Jugendgewalt sei ein großes Thema.
„Auch in Magdeburg und in Leipzig gibt es beispielsweise keine Fanprojekte. Damit möchte ich keineswegs sagen, dass dort mit Fanprojekten Ruhe herrschen würde. Allerdings würde langfristige sozialpädagogische Arbeit dazu beitragen, die Gewaltbereitschaft einzudämmen“, meint der Fachmann. Fanprojekte seien ein wesentlicher Bestandteil des 1993 verabschiedeten Nationalen Konzepts Sport und Sicherheit, wenngleich in den neuen Bundesländern in erster Linie die Politik gefragt sei: „Dort spielen gesellschaftspolitische Hintergründe eine große Rolle.“
Seit über einem Jahrzehnt leitet der Diplom-Sozialpädagoge die Leverkusener Einrichtung und weiß über die Erfolge der gemeinsamen Arbeit mit der Fanbetreuung von Bayer 04 zu berichten: „Früher war die gewaltbereite Szene hier größer. Über die Jahre ist sie kleiner und die damit verbundene Problematik geringer geworden. Wenn es jetzt bei zwei oder drei von insgesamt 34 Bundesligaspielen mit Leverkusener Beteiligung mal zu Schwierigkeiten kommt, dann ist das viel.“ Hilfreich seien dabei vor allem die guten Kontakte, die beispielsweise der Fanbeauftragte Andreas „Paffi“ Paffrath pflegt, hilfreich sei auch die Bereitschaft von Polizei und Verein, zu kooperieren. „Damit nicht nur hier vor Ort, sondern bundesweit den vielfältigen Erscheinungsbildern und Ausdrucksformen innerhalb der jeweiligen Fanszene Rechnung getragen werden kann, müssen die Fördermittel für die Fanprojekte auf jeden Fall erhöht werden“, sagt Thomè und hofft dabei nicht zuletzt auf den Deutschen Fußball-Bund, der 2006 bei der WM im eigenen Land einen Euro-Gewinn in Millionenhöhe ausgewiesen hatte. „50 000 davon für unser Fanprojekt würden schon reichen.“
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