Talentschmiede für Torhüter

  • Fast jeder Torwart hat seine eigene Geschichte, wie er den Weg zwischen die Pfosten gefunden hat. Bei Dieter Gans war es ein eisiger Winterspieltag irgendwann Anfang der 70er Jahre. „Beide etatmäßigen Torhüter waren krank. Da wurde gefragt, wer Lust hätte, sich mal ordentlich in den Schnee zu werfen“, erinnert er sich. Der damalige D-Jugend-Stürmer Dieter Gans meldete sich, hielt gleich überragend seinen Kasten sauber und war danach nicht mehr aus dem Tor wegzudenken.


    Als 1993 eine Knieverletzung seine aktive Laufbahn nach zehn Jahren beim 1. FC Köln beendete, wechselte der heute 46-Jährige als einer der ersten Spezialisten auf die Seite des Torwart-Trainers. Seitdem sorgt Gans dafür, dass die Geschichte vieler großer Torhüter-Karrieren bei ihm beginnt.


    Bei Bayer 04 geht er in sein 14. Jahr als Torwart-Trainer. Nicht weniger als zehn Schlussmänner sind aktuell im deutschen Profi-Fußball unter Vertrag, die durch die Leverkusener Torwartschule gingen (siehe Tabelle unten).


    Den jüngsten und bisher spektakulärsten Durchbruch schaffte René Adler, der seit seinem Debüt beim 1:0-Sieg der Bayer 04-Profis bei Schalke 04 als Nummer eins gesetzt ist. „Seit René mit 15 Jahren zu uns gekommen ist, hat er auf dieses Ziel hingearbeitet“, sagt Gans. In den Jahren seiner Arbeit als Torwarttrainer hat sich die Anforderung an den Mann zwischen den Pfosten enorm gewandelt.


    "Fast der kompletteste Spieler"


    „Früher war der Torwart nur dazu da, den Ball zu halten“, so Gans, „heute muss er fast der kompletteste Spieler sein. Dirigieren, mitspielen, Bälle halten und das bei 100 Prozent Konzentration über 90 Minuten oder länger – das ist der Anspruch.“ Der Schlussmann muss den Vorderleuten den Rücken freihalten, ihre Fehler ausbügeln und selbst keine machen.


    Um die Torwart-Talente an dieses Ziel heranzuführen, hat Bayer 04 ein Spezialisten-Team, das von der U8 bis zur U19 mit den Torhütern arbeitet. Neben Dieter Gans trainieren Stefan Schmitz, David Thiel und Benjamin Kirsten mit den jungen Talenten. „Dabei ist es von großem Vorteil, dass David Thiel und Benjamin Kirsten selbst seit der F-Jugend bei Bayer 04 sind“, erklärt Gans.


    Auf dem Trainingsplatz merkt man, wie viel Spaß die Torhüter und ihre Trainer an der Arbeit haben. Wenn zum Beispiel Benjamin Kirsten die jüngeren Keeper wie Ron Meyer aus der U8 oder Julian Kriesten aus der U11 in die Ecken fliegen lässt, sind die Nachwuchs-Torleute in ihrem Eifer kaum zu bremsen. „So war das bei mir früher auch schon“, sagt Kirsten, der selbst erst als Feldspieler angefangen hat und dann irgendwann vom Spiel zwischen den Pfosten angezogen wurde.


    Lange Tradition


    Die Torwart-Ausbildung bei Bayer 04 hat eine lange Tradition und läuft nach einem einheitlichen Konzept in enger Absprache mit Rüdiger Vollborn, dem Torwart-Trainer der Profis. „Diese Kommunikation ist enorm wichtig und wir sind da absolut auf einer Wellenlänge“, sagen Gans und Vollborn unisono.


    Zu festen Terminen an zwei Tagen in der Woche, sowie bei Bedarf in weiteren Einheiten trainieren die Nachwuchs-Torhüter separat für 45 bis 90 Minuten. Flanken, Eins-gegen-Eins-Situationen, Reflexe, Torwarttechnik, Spieleröffnung – all diese Elemente finden sich in den komplexen Übungen wieder, die das Trainer-Team um Gans über die Jahre entwickelt hat und ständig erweitert.


    „Dabei ist es wichtig, dass die Übungen spielnah sind“, sagt Gans, „es hilft nichts, den Torwart mit irgendwelchen Serien auszupowern. Wir müssen sauber und konzentriert arbeiten.“ Ob zum Beispiel gezielte Paraden, Winkelverkürzen oder Reflexschulung mit Hilfe von Absperrband – jede Übung trainiert mehrere Aspekte, die so auch während der 90 Minuten auf dem Feld vorkommen können.


    Großes Ansehen beim DFB


    „Das stimmt. Es wird nie langweilig, ständig sind neue Übungen dabei und man erkennt, auf welche Spielsituationen sie sich beziehen“, sagt Fabian Giefer. Der U17-Torwart ist seit vier Jahren bei Bayer 04 und Stammtorwart der DFB-U17-Nationalmannschaft. „Trotz seiner Größe ist Fabian sehr beweglich. Er hat eine gute Ausstrahlung und wirkt auch bei hohen Bällen sehr souverän“, lobt DFB-Trainer Paul Schomann.


    Insgesamt genießt die Torwart-Ausbildung von Bayer 04 beim Deutschen Fußball-Bund großes Ansehen. Erst vor kurzem wurde Dieter Gans vom DFB als Referent zum Trainer-A-Lizenz-Lehrgang in die Sportschule Hennef eingeladen. „Für dieses komplexe Thema holen wir uns gern einen Spezialisten“, so Lehrgangsleiter Ralf Peter.


    Vor den über 30 Teilnehmern, darunter auch Ex-Profis wie Harry Koch und Torwart Achim Hollerieth, zeigte Gans in Theorie und Praxis, wie vielfältig das Torwart-Training sein kann und muss, damit der Schlussmann im modernen Fußball bestehen kann. „Nichts wird so kontrovers diskutiert wie das Torwartspiel und keine Position steht in engen Spielen so im Rampenlicht“, sagt Gans.


    Ehrgeizige Ziele


    Für die nächsten Jahre haben er und sein Team sich ehrgeizige Ziele gesetzt. „Irgendwann wollen wir es schaffen, dass alle drei Torhüter der Lizenzmannschaft aus dem eigenen Nachwuchs stammen“, so Gans.


    Mit René Adler und Benedikt Fernandez sind es aktuell zwei im Lizenzspieler-Kader und im Leistungszentrum am Kurtekotten haben die Torwart-Trainer sicherlich schon den einen oder anderen Kandidaten, dem dieser Sprung in den kommenden Jahren gelingen könnte.


    Der kann dann bestimmt auch wieder eine ganz besondere Geschichte erzählen, wie er den Weg zwischen die Pfosten fand und welchen Anteil die Arbeit des Spezialisten-Teams am Kurtekotten daran hatte.

    Aktuelle Profi-Torhüter aus der Nachwuchsabteilung von Bayer 04:

    René Adler (Bayer 04 Leverkusen)
    Benedikt Fernandez (Bayer 04 Leverkusen)
    Tim Wiese (Werder Bremen)
    Dimo Wache (1. FSV Mainz 05)
    Daniel Ischdonat (1. FSV Mainz 05)
    Bernd Dreher (Bayern München)
    Dirk Heinen (VfB Stuttgart)
    Georg Koch (MSV Duisburg)
    Tom Starke (SC Paderborn)
    André Maczkowiak (Rot-Weiss Essen)
    Romuald Peiser (FC Geuegnon (FRA))


    bayer04.de