Kommentar, vom 18.05.08
Warum mag keiner 1899 Hoffenheim?
Sie schimpfen ihn einen "Retortenclub" und eine "Fußball-Hure", glauben, dass er dem traditionellen Fußball den Garaus macht. Die Abneigung, die 1899 Hoffenheim entgegenschlägt, kommt aus den tiefsten Seelengründen der gegnerischen Fans. Warum nur?
Weil der kleine Verein aus dem beschaulichen Kraichgau einen solchen Erfolg hat? Weil dieser Erfolg maßgeblich auf der finanziellen Zuwendung eines Mannes beruht, der als Multimilliardär mal eben fast 20 Millionen locker macht, damit sich sein Trainer drei internationale Jungstars kaufen kann?
Mal ehrlich, welcher Verein hätte nicht gerne selbst seinen Dietmar Hopp, der das Stadion aufmöbelt, tolle, neue Spieler einkauft und junge Talente fördert. Denn auch das tut Hopp, Mitbegründer der SAP und steinreicher Mäzen des Vereins, in dem er in seiner Jugend selbst einmal als Linksaußen gekickt hat. Hopp investiert bewusst in die Jugend. Vier Förderzentren sind in der Region entstanden, ein Trainingszentrum ist in Planung. Sport als Big Business hat Arbeitsplätze in einer ansonsten struktursschwächeren Region geschaffen. Ein Beispiel dafür ist auch die von Hopp gebaute SAP-Arena in Mannheim, Spielort für die Rhein-Neckar Löwen und die Adler Mannheim. Macht die Arena, machen Adler und Löwen den Sport kaputt? Nein, das tun sie nicht. Sie haben sich lediglich den Gesetzen eines sich immer stärker kommerzialisierten Sports angepasst.
Dietmar Hopp ist kein Roman Abramowitsch
Dietmar Hopp und sein 1899 Hoffenheim haben nichts zu tun mit einem Roman Abramowitsch und dessen FC Chelsea. Der russische Ölmilliardär hält sich den englischen Traditionsverein zur persönlichen Belustigung. Hopp hingegen will mehr. Er betrachtet die Investitionen in den Verein als Geschäft. Ein Geschäft, das sich auszuzahlen scheint.
Hoffenheim hat es geschafft, in nicht einmal zwanzig Jahren aus der Kreisklasse in die Bundesliga aufzusteigen. Mit einer millionenschweren Truppe, zugegeben, aber eben auch mit einer sehr jungen - das Durchschnittsalter der Spieler liegt bei 23 Jahren. Hinter dem Erfolg steht eben nicht nur Geld sondern auch ein sportliches Konzept. Trainer Ralf Rangnick, der schon Schalke, Hannover und Stuttgart trainiert hat, ist nicht aus Mitleid in die Provinz gegangen. Er hat gewusst, dass er hier mit modernsten Trainingsmethoden, Fleiß und dem richtigen Team eine zeitgemäße und erfolgreiche Mannschaft formen kann. In das "operative Fußball-Geschäft" soll sich Hopp nach Angaben aus dem Verein übrigens nicht einmischen.
Dem "unsympathischen Geldsackverein", wie er von manchem Fan bezeichnet worden ist, Wettbewerbsverzerrung vorzuwerfen, ist also bigott. Denn wenn Bayern München Abermillionen in seinen Kader steckt, wenn der russische Ölkonzern Gazprom zum wichtigsten Sponsor von Schalke 04 wird oder Borussia Dortmund an die Börse geht, dann sind dies mehr oder weniger gelungene Versuche, im Profifußball zu bestehen. Und im Profifußball geht es eben nicht nur um hehre Ideale sondern auch um viel, viel Geld.
Mit Engagement, Können - und viel Geld zum Erfolg
Hoffenheim hat sich vom kleinen Dorfclub zum Bundesligisten gemausert. Ab 2009, so alles nach Plan läuft, können die "Hoppenheimer" dann wohl auch in ihrem 60 Millionen teuren neuen Stadion antreten; es soll das modernste Stadion der Republik werden und bietet Platz für 30.000 Zuschauer. Ob der Wandel den alten Vereinsmitgliedern aus dem 3.300 Seelendorf noch gefällt, ob sie sich noch identifizieren können mit Spielern, Trainer und Stadion, das werden sie selbst entscheiden müssen.
Wir anderen sollten zumindest anerkennen, dass Hopp und Konsorten mit Engagement, Visionen, Können und natürlich auch mit viel Geld ihr "Projekt Fußball" erfolgreich umgesetzt haben. Deswegen müssen wir uns ja nicht gleich Hoffenheim-Schals umhängen.