ERSTELLT 20.06.07, 11:58h
Groningen/Niederlande - Deutsche Fußballer sind nicht dabei, dennoch sind einzelne Tribünenblöcke bei der U21-Europameisterschaft in den Niederlanden mit Bundesliga-Gästen gefüllt. "Das ist ein Pflichttermin für unsere ganze Berufsgruppe", sagt Norbert Ziegler. Der 53 Jahre alte Chefscout von Bayer Leverkusen, der vergangene Woche bereits sechs Gruppenspiele des Turniers beobachtete, wird ebenso wie viele seiner Kollegen aus der Ersten und Zweiten Liga bei den Halbfinal-Partien an diesem Mittwoch die Elite der europäischen Talente im Blick behalten.
Neben Gastgeber Niederlande, der in der Vorschlussrunde in Heerenveen (18.15 Uhr) auf England trifft, haben sich auch Serbien und Belgien für das Halbfinale qualifiziert und spielen in Arnheim (20.45 Uhr) um den Einzug ins Endspiel am Samstag in Groningen. Der Umstand, dass das Turnier in den grenznahen Niederlanden ausgetragen wird, macht es möglich, dass viele Bundesligisten mit mehreren Talentsichtern vor Ort sind. "Wir haben vier Scouts für die EM abgestellt und sind bei jedem Spiel mit zwei Mann", sagt Ziegler.
Ziegler ist mit seinem Kollegen Uwe Helmes unterwegs. Der Vater des Nationalspielers Patrick Helmes wurde zum Monatsbeginn neu in der Scouting-Abteilung des Clubs eingestellt. "Jeder kann sich auf eine Mannschaft konzentrieren und möglichst viele Details über die einzelnen Spieler sammeln", meint Ziegler. Nach dem Turnier werden die Informationen gesammelt in die Datenbank des Vereins eingegeben und ältere Fakten ergänzt: "Es geht um den Gesamtüberblick."
Denn die meisten Talente sind den Scouts wohl bekannt. Von der U 16 bis zur U 21 wird der Werdegang der jeweiligen Nationalspieler verfolgt. "Es geht nicht darum, dass einer mal ein großes Match macht. Wir halten die Entwicklung im Blick und selektieren, wen wir weiter beobachten", sagt Ziegler, der in den Niederlanden den Fokus unter anderem auf den Belgier Kevin Mirallas vom OSC Lille richtet: "Vor einem Jahr absolvierte Mirallas in Polen eine gute U 19-EM, jetzt steht er offenbar vor dem Durchbruch."
Ziegler ist mit seinen Bemühungen nicht alleine. Bei fast jedem Match trifft er auf die immer gleichen Branchen-Kollegen, die sich gegenseitig Hotels empfehlen und Fahrgemeinschaften bilden. "Wir pflegen ein kollegiales Verhältnis, Informationen über Spieler werden aber keine ausgetauscht", meint Ziegler.
Fast alle Bundesligisten haben ihr Scouting-System enorm ausgebaut und wollen so teure Ablösesummen sparen. Sogar Aufsteiger MSV Duisburg leistete sich den Luxus, einen Beobachter für fünf Wochen nach Südamerika zu schicken, um dort die inzwischen verpflichteten Brasilianer Maicon und Fernando Santos auf deren Tauglichkeit zu überprüfen. "Du musst überall vor Ort sein. Transfers, die nur über die Sichtung von Videokassetten zu Stande kommen, sind ein zu großes Risiko", sagt MSV-Chefscout Dieter Mertens. (dpa)