Vor 25 Jahren: Die WM 1982 - Deutschland - Algerien

  • Drei Mal ist nordafrikanisches Recht


    Am 3. Juni 1970 war es gerade noch gut gegangen: Auch damals, am Beginn der neunten WM-Endrunde, stand nur die Höhe des deutschen Auftaktsieges gegen den WM-Neuling aus Nordafrika in Frage. Nach 90 Minuten hatte sich die Elf Bundestrainer Helmut Schöns im mexikanischen León nach 0:1-Rückstand noch zu einem 2:1 über Marokko gezittert. Gegen dessen Nachbarn Algerien reichte es zwölf Jahre später aber nicht mehr. Mit seinem 2:1 bestrafte der Underdog am 16. Juni 1982 im spanischen Gijon die Einfallslosigkeit des Europameisters. Es war die erste und bisher einzige Niederlage einer DFB-Auswahl zum WM-Start - und die zweite im zweiten Vergleich mit Algerien.


    Keine Lehren gezogen
    Häme und Spott waren dem trotz alldem überheblich daherkommenden Aufgebot des Schön-Nachfolgers Jupp Derwall nach der unerwarteten Blamage sicher. "Man darf auch als Europameister nicht auf Afrika hinabschauen, als würde dort kein Fußball gespielt", schrieben Algeriens Trainer Rachid Mekhloufi und Mahiedine Khalef dem verdutzten Verlierer ins Stammbuch. Der hätte über die Qualität der Algerier spätestens seit dem 0:2 in Algier zu Neujahr 1964 informiert sein müssen. Aber diese 90 Minuten waren vor 25 Jahren in Gijon ebenso längst vergessen wie der mühsame WM-Auftakt 1970 (siehe oben). Und selbst das überaus glückliche 0:0 gegen Tunesien zum Ende der WM-Vorrunde 1978 in Argentinien hatte bezüglich der Wertschätzung für den Fußball auf dem Schwarzen Kontinent keine Langzeitwirkung hinterlassen.


    Schumacher: "Vier bis acht Tore"
    Stattdessen ruhte sich der haushohe Favorit auf seinen acht Siegen aus ebenso vielen WM-Qualifikationspartien für Spanien aus. "Meine Spieler lachen sich doch tot, wenn ich ihnen einen Film von den Algeriern zeige", gab Derwall preis. Beeindruckende 33:3 Tore hatte der zweimalige Weltmeister gegen Österreich, Bulgarien und Finnland erzielt, und gegen Algerien, so kündigte Keeper Toni Schumacher volImundig an, würden "vier bis acht" fallen, "um in Form zu kommen."


    Madjer und Belloumi plötzlich weltweit Begriffe
    In Form zeigte sich an jenem unheilvollen Mittwoch allerdings nur der grün-weiß gekleidete Außenseiter. Dessen Torschützen Rabah Madjer und Lakhdar Belloumi - seinerzeit immerhin Afrikas Fußballer des Jahres - wurden über Nacht zu Stars und Volkshelden. Genau ein Treffer fiel für Deutschland, während Schumacher beinahe so viele Bälle aus seinem Netz zu holen hatte wie in acht Qualifikationsbegegnungen zuvor. Als seine Vorderleute noch Karl-Heinz Rummenigges Ausgleich zum 1:1 feierten (68.), hatte der unerschrockene Niemand auch schon wieder zugeschlagen. Belloumi vollendete den schnellen Konter zum Siegtor (69.). Darauf fand Derwalls Zweckgemeinschaft keine Antwort mehr.


    Berühmt-berüchtigtes Trainingscamp an einem bayerischen Gewässer
    Derwalls lange Leine und die feucht-fröhliche Zeit der Vorbereitung am "Schlucksee" hatten sich prompt gerächt. Insbesondere Rückkehrer Paul Breitner, der am 29. April 1981 nach sechs Jahren Pause sein Comeback im Dress mit dem Bundesadler gefeiert hatte, sah sich nachher harscher Kritik ausgesetzt, "leistete einen Offenbarungseid", wie die "Süddeutsche Zeitung" resümierte.


    Überhebliches Auftreten
    "Die Deutschen hatten keinen Respekt vor uns", befand Mekhloufi, und den No-Name-Kontrahenten, "bis zur letzten Minute nicht für voll genommen", wie Madjer anfügte. Der 23-jährige Schütze des 1:0 hielt fünf Jahre später noch eine zweite viel beachtete Demütigung für den deutschen Fußball parat. Unvergessen, wie der 87-malige Nationalspieler (40 Tore) am 27. Mai 1987 im Europapokalfinale der Landesmeister in Wien den großen Favoriten FC Bayern München stürzte. Mit der Hacke schaffte der spätere algerische Nationaltrainer den 1:1-Ausgleich für den FC Porto, die Portugiesen siegten mit 2:1. Anschließend unterzeichnete Madjer einen Dreijahresvertrag beim Verlierer, posierte für die Fotografen in dessen Tracht - und ging dann doch zum FC Valencia. Warum, verriet Afrikas damaliger Fußballer der Jahres nie.


    quelle: t-online

    Die Jugend von heute liebt den Luxus, hat schlechte Manieren und verachtet die Autorität. Sie widersprechen ihren Eltern, legen die Beine übereinander und tyrannisieren ihre Lehrer.
    (Sokrates, gr. Philosoph, 470-399 v.Chr.)


    Wenn jemand zu Dir sagt: Die Zeit heilt alle Wunden. Hau ihm in die Fresse und sag: Warte, ist gleich wieder gut.

  • Über 40.000 Zuschauer und 24 Arbeitsverweigerer


    Als die dicksten Freunde gelten Deutsche und Österreicher nicht. Länderspiele zwischen den beiden Nachbarn sind prestigeträchtige Fragen der Ehre – mal abgesehen vom 25. Juni 1982. Was sich damals in Gijon vor den Augen von 42.000 Zuschauern im Estadio El Molinón und Abermillionen vor den Fernsehgeräten in aller Welt abspielte, gilt als ehrabschneidend und einmalig in der WM-Geschichte. Jener berühmte Nichtangriffspakt, der in einem 1:0-Erfolg des Europameisters endete, beförderte beide Mannschaften in die zweite Finalrunde. Zurück blieben aufgebrachte Fans - vor allem aus Algerien - und eine nie mehr zu tilgende Schmach.


    Die Algerien-Niederlage noch getoppt
    Nur neun Tage nach dem sensationellen Fehlstart gegen Algerien (1:2) beschädigte die deutsche Auswahl ihr weltweites Ansehen ein zweites Mal. Dass es gegen Österreich allerdings mit purem Kalkül und unter tätiger Mithilfe des an einem ehrlichen Wettkampf ebenso desinteressierten Gegner geschah, erzeugt unter deutschen Fußballanhängern auch 25 Jahre später noch ein Gemisch aus Zorn und Scham.


    Klare Ausgangslage
    Algeriens 3:2-Erfolg über Chile vom Tag zuvor hatte die Weichen für den beispiellosen Antikick gestellt. Mit 4:2 Punkten und 5:5 Toren ausgestattet, harrte der schlussendlich leidtragende WM-Neuling hilflos des vermeintlichen Gipfeltreffens der Vorrunden-Gruppe 2. Die DFB-Elf musste gewinnen, um im Wettbewerb zu verbleiben, Österreich durfte höchstens mit zwei Toren Unterschied verlieren, um den Deutschen in die nächste Runde zu folgen.


    Österreicher 1978 bis in die Haarspitzen motiviert
    In der waren sich beide vier Jahre zuvor im Rahmen der WM in Argentinien begegnet, als das Ausscheiden der Österreicher bereits feststand. Seinerzeit rief das Ehrgefühl der Rot-Weiß-Roten jedoch eine historische Leistung ab, die den überheblichen Widersacher von der anderen Seite der Alpen gleich mitnahm auf den Heimflug gen Europa.


    Dreimaliges Wiedersehen zwischen den Weltmeisterschaften
    Seitdem waren allerdings genau 1.463 Tage und eine gemeinsame WM-Qualifikation vergangen, in deren Verlauf die deutsche Mannschaft die Verhältnisse gleich zwei Mal zurecht gerückt hatte. Die eigentliche Revanche für Córdoba hatte Jupp Derwalls Auswahl aber bereits am 2. April 1980 durch ein 1:0 im EM-Testspiel in München genommen. Insofern wäre es nun in Gijon nach drei Niederlagen in Folge längst wieder an den Österreichern gewesen, sich zu wehren…


    So schlecht und müde
    Aber weder wollte noch konnte der Mit-Gastgeber der EM 2008: "Wir hätten die Deutschen gerne aus dem Stadion geschossen und sie wie vier Jahre zuvor aus dem Turnier geworfen. Aber zu diesem Zeitpunkt war die Mannschaft dazu einfach nicht in der Lage", gab der damalige Keeper Friedl Koncilia zu. "Hätten die Deutschen nur geahnt, wie schlecht und müde wir wirklich waren, hätte es mit einem Debakel für uns geendet", ergänzte Hans Krankl, 1978 in Córdoba mit zwei Toren zum 3:2 noch Österreichs Allzeit-Held, Jahre später zu. So wurde es ein Debakel für beide Seiten.


    Kein Kommentar
    Nach Horst Hrubeschs Oberschenkeleinsatz zum 1:0 in der elften Minute hatte das Geschehen noch ungefähr neun Minuten lang mit einem Fußballspiel zu tun, an das es in der Folgezeit nicht mehr auch nur annähernd erinnerte. Irgendwann war auch TV-Kommentator Eberhard Stanjek das unwürdige Schauspiel leid, und der ARD-Mann stellte – analog zur Arbeitsverweigerung auf dem Rasen - seinen Redefluss ein.


    Unmut pur
    Auf den von einem anhaltenden Pfeifkonzert überzogenen Rängen wedelten algerische Fans zum Zeichen der Schiebung mit Geldscheinen, spanische Beobachter packten ihre weißen Taschentücher aus. Das passiert bei den Iberern ansonsten, wenn der Stier sich in der Arena ihrem geliebten Stierkampf verweigert. Die spanische Zeitung "El Comercio" platzierte anschließend ihren Bericht über den "mutmaßlichen Betrugsfall" auf der Seite mit den Polizeimeldungen…


    Europäische Arroganz
    Das durch uneinsichtige und verhöhnende Reaktionen der beteiligten Spieler und Trainer bereits gut gefüllte Fass brachte Österreichs Delegationsleiter Dr. Hans Tschak zum Überlaufen. Er kommentierte den seitens der FIFA abgelehnten Antrag des algerischen Verbandspräsidenten Ben Ali Seikkel auf Ausschluss Deutschlands und Österreichs wie folgt: "Natürlich ist heute taktisch gespielt worden. Aber wenn jetzt deswegen hier 10.000 Wüstensöhne im Stadion einen Skandal entfachen wollen, zeigt das doch nur, dass die zu wenig Schulen haben. Da kommt so ein Scheich aus einer Oase, darf nach 300 Jahren mal WM-Luft schnuppern und glaubt, jetzt die Klappe aufreißen zu können." Die abschließenden Vorrundenspiele bei WM-Turnieren finden seit 1986 übrigens immer parallel statt.


    quelle: t-online

    Die Jugend von heute liebt den Luxus, hat schlechte Manieren und verachtet die Autorität. Sie widersprechen ihren Eltern, legen die Beine übereinander und tyrannisieren ihre Lehrer.
    (Sokrates, gr. Philosoph, 470-399 v.Chr.)


    Wenn jemand zu Dir sagt: Die Zeit heilt alle Wunden. Hau ihm in die Fresse und sag: Warte, ist gleich wieder gut.

  • 24. Juni 2007, 14:04 Uhr
    Von Udo Muras


    Die "Schande von Gijon" ist heute nicht mehr möglich


    Am Montag vor 25 Jahren erlebte der deutsche Fußball eine seiner schwärzesten Stunden - obwohl die Nationalmannschaft bei der WM in die nächste Runde einzog. Das Team von Jupp Derwall zeigte gegen Österreich, dass das Wort "Nichtangriffspakt" kein rein militärisches sein muss - und dass es ganz legalen Betrug geben kann.


    Was geschah an jenem schwarzen Freitag im Stadion „El Molinon“ von Gijon? Positiv formuliert, verhielten sich die 24 eingesetzten Spieler höchst effizient. Es gab einen Nichtangriffspakt, der dem Modus geschuldet war. Vor dem Anpfiff stand bereits fest, dass die Deutschen bei einem Sieg mit maximal zwei Toren Vorsprung zusammen mit ihrem Gegner in die zweite Finalrunde einziehen würden. Zu Lasten Algeriens. Nun saß ganz Algerien vor dem Fernseher und hoffte, dass es entweder gar keinen deutschen Sieg oder aber ein Schützenfest der Elf von Jupp Derwall gäbe.


    Es gab ein 1:0 – und einen WM-Skandal. Das Ballgeschiebe, das nach dem Knie-Tor des Hamburgers Horst Hrubesch in der 10. Minute zelebriert wurde, lief nach dem Motto „Bloß nicht provozieren“. Kurz danach wurde ein Schattenboxen gegeben, das mit Farce noch gnädig bezeichnet ist. Man verstand sich prächtig unter Nachbarn. Die Wiener "Kronen-Zeitung" stellte fest: „Bruno Pezzey und Horst Hrubesch taten nicht einmal so, als seien sie Gegner. Während Eckbälle geschossen wurden, unterhielten sie sich in aller Freundschaft.“ Karl-Heinz Rummenigge gestand in seinem WM-Buch: „In der zweiten Halbzeit, als wir merkten, dass die Österreicher das Ergebnis halten wollten, haben wir uns dem Ballgeschiebe angepasst, weil’s auch uns in den Kram passte.“


    ARD-Reporter Stanjek stellte seinen Kommentar ein


    So konservierten sie ihr Wunschergebnis und es geschah rein gar nichts mehr außer Quer- und Rückpässen. ARD-Reporter Eberhard Stanjek stellte sogar den Kommentar ein, weil es sein Job sei, ein Fußballspiel zu kommentieren, aber auf dem Platz fände keines statt. Sein österreichischer Kollege Edi Finger lästerte: „Das war die größte Verbrüderung zwischen Deutschland und Österreich seit März 1938.“


    Umso mehr war auf den Rängen los. Wütende Zuschauer, unter ihnen Hunderte Algerier, riefen „Küsst euch doch“. Die Spanier, die nach heimischer Sitte weiße Tücher mitgebracht hatten, um symbolisch Abschied von der WM zu nehmen, wedelten damit wie beim Stierkampf und riefen „Fuera, fuera“ - raus, raus.


    Eine spanische Zeitung schrieb einen Polizeibericht


    Tickets wurden zerrissen, Geldscheine gezückt, um dem Schiebungsverdacht Ausdruck zu geben. Algeriens Vorstopper Nourredine Kourichi zürnte: „Das ist der Tod des Fußballs.“ Die spanische Zeitung „El Commercio“ verfasste statt eines Spieltextes einen „Polizeibericht“. Dort hieß es: „26 deutschsprachige Bürger aus der Bundesrepublik und Österreich haben angeblich Betrug von zwölf Millionen Peseten an 40.000 Zuschauern begangen.“ Die Algerier forderten offiziell beide Mannschaften „wegen Verstoßes gegen den Geist der Fifa-Regeln aus dem Turnier auszuschließen“. Vergeblich.


    Doch immerhin erreichten sie, dass die Fifa ab der WM 1986 die letzten Gruppenspiele zeitgleich austragen lässt. Die deutschen aber wurden zu den Buhmännern der WM 1982 und warfen vor dem nächsten Spiel schuldbewusst Blumen ins Publikum. Eine Ergebnisabsprache hat nie jemand zugegeben. Im Januar 2007 berichtete zwar die arabische Zeitung „Al Ittihad“ von der späten Reue des Hans-Peter Briegel, der angeblich gestand, dass „Deutschland geschummelt hat, um Algerien auszuschalten“. Doch Briegel dementierte. Und so bleibt der Tag von Gijon bis zum Beweis des Gegenteils ein ganz legaler Betrug.


    welt.de



    schon interessant, dass sich die Presse daran erinnert :LEV5 :D