Junioren-Fußball
Meister! Leverkusen!
Im A-Junioren-Finale, dem Schaufenstertag der Talente, gewinnt Bayer Leverkusens Nachwuchs vor über 20.000 Zuschauern gegen den FC Bayern.
Von Moritz Kielbassa
Jetzt sind sie also doch deutscher Fußballmeister, die traumatisierten ewigen Zweiten aus Leverkusen, und wenngleich es nur der Titel der A-Junioren war, bebte die BayArena am Sonntagmittag wie in einer rauschenden Champions-League-Nacht. 22.500 Besucher beklatschten mit großer Genugtuung den 2:1-Finalsieg ihrer U-19-Auswahl gegen Bayern München, errungen nach Verlängerung und dank eines Kraftaufwandes bis hin zu Krämpfen.
Eine perfekte Inszenierung, wobei die Stimmung im vollen Haus ihren Höhepunkt erreichte, als sich Bayer-Kapitän Dennis Schmidt vor der Siegerehrung das Mikrofon schnappte und einen dringend notwendigen Gruß an den Lokalrivalen ausstieß: "Scheiß FC Köln!" Es folgte ein Humbatätärä, sehr zum Amüsement der zahlreichen Ehrengäste. Auch Reiner Calmund, der Vizemeistermanager früherer Tage, wippte ein bisschen mit.
Leverkusen akquiriert seine Talente oft schon im Kindesalter
Diese Meisterschaft für Leverkusen ist kein Werk des Zufalls, und auch der Gegner kam nicht von ungefähr vorbei. Für Bayers A-Junioren war es die vierte Finalteilnahme seit 2000, für den FC Bayern die fünfte seit 2001. Wie im Vorjahr, beim 1:2 in Schalke, mussten die Münchner im Endspiel auswärts vor großer Kulisse bestehen - ein womöglich entscheidender Störfaktor. Bayerns frühe Führung durch Thomas Müller (10.) hielt nur bis zur 76. Minute, als ein Flachschuss von Leverkusens Linksverteidiger Oczipka vom Pfosten ins Tor prallte. Das bis dahin taktisch gut sortierte, aber selten peppige Spiel fing plötzlich Feuer, mit guten Chancen beiderseits - bis ein Rückraumschuss des eingewechselten Alexander Hettich (2:1/ 97.) die Party eröffnete.
Aus der nahen Umgebung akquiriert Leverkusen seine Talente oft schon im Kindesalter, viele regionale Konkurrenten (Köln, Aachen, Schalke, Dortmund) bieten mit. Im Schnitt, so hat Nachwuchschef Jürgen Gelsdorf errechnet, sind die aktuellen U-19-Meisterspieler bereits "seit 7,04 Jahren" im Bayer-Nachwuchszentrum am Kurtekotten beheimatet. Ein langer Ausbildungsweg, der bisher bei A-Jugend-Trainer Thomas Hörster zu Ende ging. Für Hörster, der sich nach einem glücklosen Bundesliga-Intermezzo 2002/03 zur U19 zurückzog, war der Finalsieg ein "super Abschied". Er wechselt in Leverkusens Scoutingabteilung und sitzt in Kürze im Flieger nach Venezuela, auf dem Weg zur Copa America.
Dort wird Hörster nicht der einzige Deutsche sein unter den vielen Späher und Agenten, deren Geschäft es ist, Talente eher zu entdecken als andere. Auch beim Finale in Leverkusen herrschte Anwesenheitspflicht für diese Reisekarawane. "Jugendfußball ist Business geworden", sagt Werner Kern, der Nachwuchsleiter des FC Bayern. Für 25 Millionen haben die Münchner soeben Owen Hargreaves nach Manchester transferiert, und obwohl Manager Uli Hoeneß sagt, man wolle "Spieler entwickeln, nicht verkaufen", reicht allein diese Summe zur Finanzierung der Jugendarbeit auf Jahre. Auf diesen einen Volltreffer warten viele, deren Laptops überquellen mit Daten hoffnungsvoller Talente. Am Hargreaves-Deal beteiligt war der Spielerberater Roman Grill. Früher war er beim FC Bayern A-Jugend-Trainer.
"Immer mehr Vereine investieren viel für den Nachwuchs", sagt Kern, "und sie merken, dass sich der Aufwand lohnt." In der abgelaufenen Bundesliga-Saison debütierten zahlreiche A-Junioren der Jahrgänge ’88/’89, wie Touré (Bayer 04), Özil (Schalke), Ben-Hatira (HSV), Schindler (Bremen), Vrancic (Mainz), Marin (Gladbach) und einige mehr. Woanders ist dies längst gängige Praxis, das U-21-EM-Finale am Samstag bestritten nicht zufällig die Niederlande und Serbien, wo Talente nicht selten mit 16 oder 17 zu den Profis wechseln. Deutschlands Vereine ziehen nach, und an Schaufenstertagen wie in Leverkusen sieht man "wunderbare Werbung für den Jugendfußball", wie DFB-Sportdirektor Matthias Sammer erfreut befand. Trainer Hörster versprach hinterher, man werde "viele der Jungs, die heute auf dem Platz waren, bald in der Bundesliga sehen".
Allerdings ragten im Finale 2007 nicht unbedingt die Supertalente heraus. Münchens Spielmacher Toni Kroos etwa, mit 15 aus Rostock geholt, konnte seine exquisite Begabung nur in wenigen Szenen andeuten. Trotzdem wird der 17-Jährige, altersmäßig noch B-Junior, demnächst im Profikader von Ottmar Hitzfeld auftauchen. "Ein Ausnahmetalent", bestätigt Bayerns A-Jugend-Trainer Kurt Niedermayer, der schon Schweinsteiger, Ottl, Lahm und Trochowski ausbildete.
Der dritte DM-Titel nach 2002 und 2004 blieb Niedermayer indes verwehrt, diesmal jubelten die Leverkusener, bei denen Torjäger Schmidt, Spielmacher Deniz Naki und der spektakuläre Dribbler Richard Sukuta-Pasu als größte Hoffnungen gelten. Sukuta-Pasu fliegt demnächst wie Kroos mit der U17 zur WM nach Korea. "Eine irre Belastung ist das für die Jungs", sagte Hörster - und ging feiern.
(SZ vom 25.6.2007)