Ein traditioneller Verein: der Offenbacher FC
Tradition verpflichtet, Tradition spornt an, Tradition kann aber auch Belastung sein. Das ist in diesen Tagen und Wochen wieder einmal beim Offenbacher Fußballclub 1901 zu spüren.
Der Verein trägt einen großen Namen, doch es fällt schwer, die an Erfolgen reiche Vergangenheit in der Gegenwart auszublenden.
Große Finals und große Spieler
Den DFB-Pokal hat der OFC einst gewonnen, 1970 durch einen 2:1-Sieg gegen den 1. FC Köln in Hannover. Im Endspiel um die Deutsche Meisterschaft standen die Hessen zweimal, beide Finals gingen � jeweils in Berlin � verloren: 1950 gegen den VfB Stuttgart (1:2), 1959 gegen den Nachbarn Eintracht Frankfurt (3:5 nach Verlängerung).
Große Spieler standen in den Reihen der Kickers: Hermann Nuber, dem sie vor dem Stadion ein Denkmal gesetzt haben, Rudi Völler, Siegfried Held, Erwin Kostedde. Sie alle haben in besseren Zeiten für den OFC gespielt und den Mythos der altehrwürdigen Spielstätte Bieberer Berg begründet oder fortgeführt.
Die gefürchtete Glocke
Die Heimat der Kickers hoch oben über Offenbach war auch bei prominenten Gastmannschaften früher regelrecht gefürchtet. Wenn die Schlussviertelstunde mit einem Glockenschlag eingeläutet wurde � eine Tradition, die beim Heimspiel gegen den SC Freiburg Anfang Dezember wieder auflebte �, brach oft genug der Endspurt des OFC über die Gegner herein.
Längst ist der Bieberer Berg aber auch bei den Kickers selbst nicht mehr so heiß geliebt. Denn das Stadion mit nur zwei Flutlichtmasten ist alt, zu alt, um im modernen Fußball auf Dauer noch überlebensfähig zu sein.
Wunsch nach neuem Stadion
"Mit diesem Stadion ist jede Saison ein reiner Überlebenskampf", sagt Präsident Dieter Müller. "Langfristig können wir unsere Zukunft nur mit einem neuen Stadion sichern." Einst drängelten sich über 30.000 Zuschauer auf den Rängen, heute sind höchstens noch 25.000 Fans zugelassen.
Statt Logen wie anderswo gibt es auf dem Bieberer Berg nur ein paar neue Sessel auf der Haupttribüne für zahlungskräftigere Kunden. Der VIP-Raum wurde im Verlauf des vergangenen Jahrzehnts immer wieder vergrößert, ist aber immer noch zu klein. Mit einem neuen Umkleidetrakt wurden Vorgaben der DFL inzwischen erfüllt.
Widerspruch zwischen Tradition und Moderne
Die Gegengerade heißt Waldemar-Klein-Tribüne, benannt nach dem Ehrenpräsidenten des Clubs, und beheimatet die treuen Kickers-Fans - Stehplätze also mit bester Sicht auf den Rasen. Auch hier tritt der Widerspruch zwischen Tradition und Moderne deutlich zutage.
Schon seit Jahren arbeitet der Verein an Plänen für ein neues beziehungsweise ein modernisiertes Stadion. Ein Hotelkomplex sollte auf dem Bieberer Berg entstehen, ähnlich wie in der BayArena von Leverkusen, verbunden mit neuen Tribünen, mit Logen und VIP-Räumen, mit modernen Sitz- und attraktiven Stehplätzen.
Das Geld fehlt
Doch es fehlen Investoren, die dem Verein und der Stadt Offenbach, beide mit finanziell engem Rahmen, unter die Arme greifen. "Es hängt immer am Geld", sagt Dieter Müller. "Wir bemühen uns sehr, aber so recht weiter kommen wir dennoch nicht."
Ein Stadion wie in Duisburg zum Beispiel wünscht sich Müller, der frühere Nationalstürmer und Bundesliga-Torschützenkönig im Trikot des 1. FC Köln: "28.000 Zuschauer Fassungsvermögen, das wäre für uns ideal. Ein größeres Stadion brauchen wir nicht."
Die Nachbarvereine bauen
Ein wenig neidisch schauen sie aus Offenbach in die Umgebung, weil nicht nur in Frankfurt mit der Commerzbank-Arena ein hochmodernes Stadion entstanden ist.
Der SV Wehen Wiesbaden baute in Windeseile die BRITA-Arena, in Mainz wird die Coface-Arena entstehen, und auf der anderen Seite des Mains haben beim Regionalligisten FSV Frankfurt am Bornheimer Hang Umbaumaßnahmen begonnen.
Finanziell stabil
Trotz solcher Probleme hat sich der OFC in den vergangenen Jahren wirtschaftlich erholt. "Große Sprünge können wir nicht machen", sagt Vizepräsident Thomas Kalt. "Aber wir stehen auch nicht mehr mit dem Rücken zur Wand."
So wie im Jahr 1989, als der Deutsche Fußball-Bund (DFB) den Offenbachern keine Lizenz erteilte. Doch aus dem sportlichen Tief sind die Kickers wieder aufgetaucht. Bis 1999 spielte der Club zehn Jahre lang in der Regional- und Oberliga. Einem kurzen Zwischenhoch in der 2. Bundesliga (1999/2000) folgte noch einmal der Sturz in die Drittklassigkeit.
Nicht aufgeben
Doch kämpfen gehörte in Offenbach schon immer zum Fußball, auf dem Rasen wie in der Führungsetage, und so schaffte der OFC 2005 erneut den Aufstieg. Seither behauptet sich der OFC in der 2. Bundesliga.
Allerdings ist das sportliche Ziel bislang stets bescheiden gesetzt und dennoch Jahr für Jahr wieder nur schwer zu erreichen. "Wir wollen uns in der 2. Bundesliga etablieren", bekräftigt Dieter Müller. Die Realität heißt aber Kampf um den Klassenerhalt. Das war schon unter den Trainern Jürgen Boysen und Wolfgang Frank so.
Andersen will "etwas bewegen"
Diese Aufgabe stellt sich nun auch für Jörn Andersen (44), der Frank im Laufe der Hinrunde nachfolgte, und dem Sportlichen Manager Michael Dämgen. Der Norweger, in der Saison 1989/90 bei Eintracht Frankfurt erster Bundesliga-Torschützenkönig, der nicht aus Deutschland kam, hat seine Zusage in Offenbach mit der Perspektive der Mannschaft und der großen Tradition des Clubs begründet.
Den Abstieg zu verhindern, sei nicht sein einziges Ziel: "Hier kann man etwas bewegen." Offensiv will er spielen lassen, attraktiven Fußball bieten, der wieder mehr Fans auf den Bieberer Berg locken soll.
Tradition verpflichtet
Auf rund 10.000 Zuschauer hat sich der Besuch zuletzt eingependelt. "Genug zum Überleben, nicht genug, um weitere Schritte nach vorne machen zu können", sagt Thomas Kalt. Er führt die Stagnation bei den Fans darauf zurück, "dass uns mehr als ein Jahrzehnt im Profifußball fehlt. Das macht uns den Alltag so schwer."
Doch der Vizepräsident sieht zugleich Fortschritte. Auch deshalb, weil einige andere Traditionsclubs in der Regionalliga "gerne mit uns tauschen würden". Und aus diesem Grund wollen der Offenbacher Fußballclub Kickers 1901 und seine Verantwortlichen wieder einmal weiterkämpfen. Damit der Verein langfristig an frühere Erfolge anknüpfen kann. Ganz der Tradition verpflichtet.